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Bernhard Sutor: Vom gerechten Krieg zum gerechten Frieden?

Bernhard Sutor: Vom gerechten Krieg zum gerechten Frieden? Stationen und Chancen eines geschichtlichen Lernprozesses, Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verlag 2004, ISBN 978-3-89974152-0, 208 S., 14,80 €
Der Verfasser, emeritierter Politikwissenschaftler an der Katholischen Universität Eichstätt, verfügt nicht nur über jahrzehntelange Erfahrung in der Schulpädagogik, sondern war auch über lange Zeit sachkundiger und engagierter Vertreter des deutschen Laienkatholizismus. Vielfach hat er sich mit den Themen Staat, Konflikt und Frieden auseinandergesetzt. Sein vorliegendes, bisher zu wenig beachtetes Buch darf als die Summe seiner Forschung, seiner Lehre und seines praktischen Einsatzes angesehen werden.

Zu Recht deutet Sutor die abendländische geistesgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld von Krieg und Frieden als Lernprozess; er verfolgt ihn vom archaischen Kriegsrecht Alt-Griechenlands über das frühe Christentum, die mittelalterliche Lehre vom "gerechten Krieg" bis zum freien Kriegführungsrecht im neuzeitlichen Völkerrecht, das dem souveränen Staat die freie Verfügungsmacht über die Mittel militärischer Gewaltsamkeit zuerkannte. Der Autor verliert sich dabei nicht in Details, sondern zeichnet unter Verzicht auf einen wissenschaftlichen Fußnotenwulst - eine gut ausgewählte Literaturliste zu den einzelnen Kapiteln findet sich am Schluss des Bandes - die innere Entwicklungslogik nach, in der sich dieses Denken vollzog. Immer ist ihm dabei bewusst, dass die Rechtfertigung der "Kosten" politischen Handelns letztlich, wenn auch nicht ausschließlich, immer im Diskurs nachvollziehbarer vernünftiger Begründungen bedarf. Wer Krieg führen will, muss ihn zugleich immer zu denken versuchen. Das gilt auch für die zugleich kurze wie prägnante Darstellung der Entwicklung der kirchlichen Friedenslehre im 20. Jahrhundert, die anzeigt, dass die Kirchen in der demokratischen Gesellschaft im Kernbereich staatlicher Friedens- und Menschenrechtspolitik gestaltend präsent sein wollen.

Hinreichenden Raum nimmt die Darstellung von System, Organisation und "ethischen Grundlagen" der Vereinten Nationen ein. Auch der (soldatische) Leser, dem diese weithin bekannt sein dürften, kann dies mit Gewinn zur Kenntnis nehmen, weil so die VN als Errungenschaft eines historischen Prozesses angesehen werden können. Die "Anwendungsfälle" wie Kosovo-Intervention und Irakkrieg werden unter politikwissenschaftlichen, völkerrechtlichen und ethischen Aspekten dargestellt und bewertet. Die Argumentation ist klar. Manchmal fordert sie zum Widerspruch heraus, wenn etwa dem Hegemon USA Positionen zugestanden werden, die ihn über geltendes Recht erheben, wenn Sutor zugleich zutreffend feststellt, dass das Recht "die Form ist, in der Moral in der Politik im Regelfall wirksam gemacht werden kann" (S. 170). Überhaupt neigt der Autor dazu, in ausgeprägter politischer Pragmatik ethische Aspekte, die vorab seine Sympathie und Unterstützung gefunden hatten, den institutionellen Abläufen zum Opfer zu bringen. Das gilt zumal für die überzogene Thematisierung von Randfällen der Friedenspolitik wie die militärischer Interventionen und nicht von den VN mandatierten Drohungen mit bzw. Anwendungen von Gewalt. Überfordert wird der philosophisch nicht fachkundige Leser vielleicht durch die Nennung, nicht jedoch hinreichende Vorstellung spekulativer Ansätze zu einem möglichen Weltstaat oder eines föderativen Systems, die dann auch die Behandlung von Kants Abhandlung zum "ewigen Frieden" in einem eigenen Kapitel verständlich machen. Entscheidend ist die Schlussfolgerung Sutors, dass "ewiger Friede" nicht "machbar" sei; Friede als das Gleichgewicht der Grundwerte von Freiheit und Gerechtigkeit muss immer wieder neu errungen werden. Darin besteht die Kunst einer ethisch fundierten, klugen Politik.

Insgesamt sind dem Buch viele geistig aufgeschlossene Leser zu wünschen - besonders unter den Soldaten (und Juristen) der Bundeswehr.

Harald Oberhem