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Erinnerung an "das pralle Leben"

Militärdekan Edwin Grötzner, Katholisches Militärpfarramt München
Der Goldene Oktober ist vorüber und der neblige, trübe November hat das Sagen. So mancher schrammt knapp an der saisonalen Depression vorbei, insbesondere die Motorradfahrer. Aber was soll man auch machen? Die Jahreszeiten mit ihren Höhen und Tiefen kann kein Mensch ändern, und das bedeutet: einfach ertragen und das Beste daraus machen.

Auch bei mir geht Anfang November der Serotonin-Spiegel regelmäßig in den Keller und die entsprechenden Sonntage im Kirchenjahr richten thematisch auch nicht unbedingt auf. Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag - irgendwie Endzeitstimmung.
Da freut man sich dann wirklich auf den 1. Advent und die Vorweihnachtszeit. Außerdem spiegelt der triste November auch in der Natur das Ende. Die Bäume haben ihre Blätter verloren, die Sonne versteckt sich hinter Wolken und es wird kalt.

Heinrich Seidel schreibt ironisch in einem Herbstgedicht: "Solchen Monat muss man loben; keiner kann wie dieser toben, keiner so verdrießlich sein, und so ohne Sonnenschein."
Der Mensch vermeidet gerne unangenehme Stimmungen und Erfahrungen, aber das Leben lässt sich nicht betrügen. Das pralle, volle Leben hat immer alles im Gepäck. Nicht nur die vier Jahreszeiten, sondern alle möglichen Höhen und Tiefen des irdischen Daseins. Und wer von uns möchte nicht ein "Vollblut-Mensch" sein? Das ganze Programm ist gefragt, keine Leichtversion. Und dazu gehören nun einmal auch die endzeitlichen Stimmungen und Gedanken, nicht nur individuell, sondern auch kollektiv.

Volkstrauertag

Ich persönlich durfte schon mehrmals am Volkstrauertag in Erscheinung treten und eine Ansprache halten. Jedes Jahr gibt es zahlreiche Gedenkfeiern. Wichtig war mir, einen Bezug herzustellen zwischen dem allgemeinen und dem konkreten geschichtlichen Betroffensein.
Ich erinnere mich noch an die Erzählungen meines Großvaters und Großonkels. Beide hatten das tragische Kriegsende hautnah miterlebt. Der eine im Osten, der andere im Westen.
Verwundet, in Gefangenschaft sind sie dennoch nicht völlig am Leben verzweifelt. Sie machten vielmehr die Erfahrung: Es geht irgendwie immer weiter, auch wenn man meint: Das ist jetzt das Ende.
Deshalb erinnern wir uns jedes Jahr an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen. Nicht nur wir Deutsche haben solche Gedenktage, sondern viele Nationen versuchen durch Erinnern und Gedenken mit ihrer Vergangenheit umzugehen.

Andere Länder - andere Sitten

In Großbritannien wurde nach dem Ersten Weltkrieg ein nationaler Gedenktag, der 11. November, eingeführt, der "Remembrance Day" oder "Armistice Day" (deutsch: Waffenstillstandstag). Der Waffenstillstand von Compiegne am Ende des Ersten Weltkrieges besagte, dass alle Kriegshandlungen am "Elften Tag des elften Monats um elf Uhr" enden sollten. Am 11. November werden aus diesem Anlass zwei Schweigeminuten gehalten.
Am darauffolgenden Sonntag legt das Staatsoberhaupt in Gegenwart des Premierministers sowie von Veteranen am Mahnmal Cenotaph einen Strauß mit Mohnblumen (engl. poppy) nieder, und man kann von Vertretern des Veteranenverbandes "British Legions" Mohnblumen zum Anstecken erwerben und diese tragen. Die Mohnblume soll an die vom Blut der Soldaten des Ersten Weltkrieges geröteten Felder Flanderns erinnern, weshalb dieser Sonntag auch "Poppy Day" genannt wird. In der britischen Hauptstadt London werden in der Nacht zu diesem Gedenktag viele öffentliche Gebäude (blut-)rot angestrahlt. So kann man Geschichte symbolisch vergegenwärtigen.

Militärdekan Edwin Grötzner,
Katholisches Militärpfarramt München