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Werte | Dr. Matthias
Gillner, Dozent
für Katholische
Sozialethik an der
Führungsakademie
der Bundeswehr in
Hamburg | Werte und Normen, Normen und Werte. Die beliebige Reihung und ungenaue Verwendung - nicht nur im alltäglichen Sprachgebrauch - lassen beide Worte austauschbar erscheinen. Sicher, die Begriffe sind verwandt, denn: Menschliche Handlungen oder staatliche Institutionen werden normiert und bewertet; sie meinen aber nicht schlichtweg dasselbe. Normen gehorchen einer "Logik des Verpflichtenden", Werte folgen dagegen der "Logik der vorziehenden Wahl" (Wright, Normen, Werte und Handlungen, 1994: 11). Während Normen zwingende bzw. beschränkende Merkmale aufweisen, wird Werten eine anziehende und motivierende Qualität zugeschrieben. Beide beziehen sich auf verschiedene Erfahrungen: dass etwas sein soll oder dass ich von etwas begeistert bin, dass ich eine Pflicht verspüre oder dass mir etwas eine Orientierung gibt.
Wertebegriff
Wie die Bedeutung des althochdeutschen "Wird" (Preis oder Kaufsumme) zeigt, entstammt der Terminus "Wert" der Ökonomie. Erst im späten 19. Jahrhundert wird er in die Ethik eingeführt und verdrängt schließlich bei vielen den ursprünglichen Begriff des "Guten". Während "dem Guten entweder ein durch die vernünftige Betrachtung der natürlichen Ordnung erschließbarer oder ein göttlich geoffenbarter Status verliehen wurde, und es damit über ein ‚Sein' verfügte" (Joas, Die Entstehung der Werte, 1999: 39), liegt der Ursprung des Wertes im Menschen selbst, insofern etwas durch seine Wertschätzung für ihn eine "Geltung" hat. Charles Taylor hat jüngst den Begriff des Wertes eng mit dem des eigenen Selbstverständnisses verknüpft. "Starke Wertungen" (gut und schlecht, höher und niedriger) drücken mehr als bloße Geschmackspräferenzen aus (lieber Wein statt Bier trinken), sie artikulieren stets das, worauf es dem Menschen im Leben ankommt, wer er selbst sein will.
Werteentstehung
Werte haben immer einen Bezug zum Wertenden selbst, zum subjektiven "Urteil", dass mir etwas wertvoll ist. Sie "entstehen" - weniger wenn ich mich zu etwas rational überzeugen lasse, eher wenn ich von etwas emotional angezogen, vielleicht sogar hingerissen bin. Oder noch häufiger: wenn ich vom Gegenteil abgestoßen oder angewidert werde. Jeder kennt das intensive Gefühl, dass etwas ganz offensichtlich als gut oder schlecht zu bewerten ist. Die rationale Rechtfertigung erfolgt oft erst später, quasi als Nachspiel bereits eingegangener Wertbindungen.
Lebenssinn, zwischenmenschliche Solidarität oder Empathie mit der Schöpfung müssen zuerst als Werte existentiell erfahren werden. Solche Erfahrungen sind immer Erfahrungen der "Selbsttranszendenz" (Joas): im individuellen Gebet oder in der liturgischen Feier, in der Liebe oder im freundschaftlichen Gespräch, in der Betrachtung der Natur oder im Anblick eines Kunstwerks.
Werte begründen nicht nur individuelle Überzeugungen, sie können auch kollektiv geteilt werden. So hat "Sicherheit" sich in der Neuzeit zu einem zentralen gesellschaftlichen Wert entwickelt. Und seit der Französischen Revolution gehören "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" zu den Grundbegriffen einer gerechten Gesellschaft.
Wertevermittlung
Obwohl unsere Wertbindungen sich stärker über Erfahrungen ausbilden, sind sie nicht einfach irrational; sie zeugen von einer gefühlten persönlichen Gewissheit. Nur kann eben keine vollständige und letztgültige Begründung dafür geliefert werden. Sie lassen sich - zumal in pluralen Gesellschaften - dem anderen nicht zwingend andemonstrieren. Besser wäre es schon, die Chancen für persönliche Werterlebnisse zu fördern. Für die eigens erfahrene Attraktivität der Werte kann mit narrativen Elementen "geworben" werden. Vielleicht ist das auch der tiefere Grund, warum Jesus selbst die Form der Erzählung wählte, um seine Werte zu vermitteln: den Wert der Barmherzigkeit durch die "Geschichte vom gütigen Samariter" (Lk 10,25-37) oder den Wert der Versöhnung durch das "Gleichnis vom verlorenen Sohn" (Lk 15,11-32).
Dr. Matthias Gillner,
Dozent für Katholische Sozialethik
an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
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