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Jahrbuch Menschenrechte 2008

Schwerpunkt: Sklaverei heute

Suhrkamp Taschenbuch 3961, Frankfurt am Main / Leipzig 2007, 340 S., € 12,-
ISBN 978-3-518-45961-4
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, so bestimmt es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in der UNO-Resolution 217 A vom 10. Dezember 1948 in Artikel 1, die von mehr als 190 Staaten unterschrieben und damit als verbindlich anerkannt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland fand dies Niederschlag im Grundgesetz. Dort heißt es ebenfalls in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Schöne Worte – hehre Ideale? Vorbei also Unterdrückung, vorbei Herrschaftsmissbrauch, vorbei vor allem die Zeit der Sklaverei, der Versklavung des Menschen durch den Menschen?

Sklaverei früher und heute

Sklaverei galt nicht nur in der Antike als selbstverständlich. Auch im Mittelalter blühte zunächst der Sklavenhandel, wenn auch die um sich greifende Christianisierung zumindest in Mitteleuropa für ein Verschwinden desselben sorgte; doch im Mittelmeerraum blieb sie ungebrochen weiterhin ein einträgliches Geschäft. Mit der Kolonisierung Amerikas entwickelte sich ein unermesslicher Bedarf an billigen Arbeitskräften, der durch Sklavenlieferungen aus Afrika gedeckt wurde. Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts gelangten so mehr als 600.000 Sklaven in die Kolonien Amerikas. Im 19. Jahrhundert schließlich kam es zur Beendigung des Sklavenhandels und in den meisten Staaten – vor allem in den USA – zum Verbot der Sklaverei. Sowohl der Völkerbund im Jahre 1926 als auch die Vereinten Nationen 1948 sprachen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ein erneutes Verbot der Sklaverei aus. Doch die gewünschte Wirkung blieb aus.

Das aktuelle Jahrbuch Menschenrechte, das dem Themenschwerpunkt „Sklaverei heute“ gewidmet ist, macht dies auf bedrückende und erschreckende Weise deutlich. Es zeigt auf, dass trotz der weltweiten Ächtung der Sklaverei sie dennoch in vielen Teilen der Erde verbreitet ist und in vielfältiger Weise erscheint. Millionen von Menschen sind von Zwangsarbeit, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Schuldknechtschaft bzw. Kinderarbeit (insbesondere von Kindern in Indien), ausbeuterischen Beschäftigungen von Haushaltshilfen u. a. betroffen. Aber auch der Einsatz von Kindersoldaten besonders auf dem afrikanischen Kontinent gehört in diesen Zusammenhang. Besonders betroffen macht dabei, dass die moderne Sklaverei sich keineswegs nur auf Regionen der sogenannten Dritten Welt beschränkt, sondern auch in Europa und in Deutschland anzutreffen ist. Stichworte wie Frauenhandel (vor allem mit Frauen aus Osteuropa bzw. den GUS-Staaten), Illegalisierung durch Migration sowie Zwangsverheiratung mögen als Problemanzeige genügen. In all diesen Fällen wird die Würde der Betroffenen mit Füßen getreten. So bleibt der wie ein roter Faden das Jahrbuch durchziehende Appell an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, der „Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, die Unantastbarkeit der Menschenwürde zu achten und zu schützen, noch engagierter und konsequenter bzw. kompromissloser als bisher nachzukommen.

Manfred Suermann