15 |
Für und wider – Lebenskundliches Seminar zur Konstanzer Dilemma-Methode | Die Seminargruppe vor Haus HohenEichen | Schießen oder nicht schießen? Weiter helfen und Leben retten oder lieber abbrechen? Genau diese Fragen beschäftigen gerade nach den aktuellen Ereignissen in Afghanistan die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Das Berliner Dezernat Sicherheitspolitik / Militärstrategie des Zentrums für Transformation der Bundeswehr führte in Haus HohenEichen in Dresden ein zweitägiges Seminar zur „Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion“ durch. Dabei ging es um die Methode des Konstanzer Psychologieprofessors Georg Lind, die seit Anfang 2007 Schritt für Schritt in die Bundeswehr eingeführt wurde und die bei der Beantwortung der eingangs formulierten Fragen helfen soll.
Militärpfarrer Georg Pützer, katholischer Standortpfarrer in Berlin, hatte zusammen mit Dezernatsleiter Oberst i. G. Peter Härle zur Teilnahme an diesem Seminar aufgerufen. Bereits die Auswahl des Dozenten, Wilfried Prior von der Heimvolkshochschule Haus Ohrbeck in Georgsmarienhütte, kann als gelungen bezeichnet werden. Der studierte Theologe und Psychologe arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der kirchlichen Bildungsarbeit und seit vielen Jahren mit Polizei, Bundespolizei und Bundeswehr zusammen.
Schritt für Schritt erarbeitete sich die Dienstgrad übergreifende Gruppe die Hintergründe des Konstanzer Dilemma-Modells. Dabei fand der Dozent einen überaus gelungen Mittelweg zwischen der Vermittlung wissenschaftlicher Argumente und Hintergründe sowie der Erarbeitung von plakativen Beispielen. So wurde die Gruppe u. a. mit den Theorien von Jean Piaget und Lawrence Kohlberg vertraut gemacht, auf welche das Konstanzer Modell im Ursprung zurückgeht. Des Weiteren erfuhren die Berliner Soldatinnen und Soldaten, dass die Methode der Dilemma-Diskussion bereits in verschiedenen Bildungsinstitutionen erfolgreich erprobt wurde.
Verschiedene Bundesländer haben übrigens das Konstanzer Modell in die Lehrerbildung aufgenommen. Eigentlich dient es der Förderung moralisch-demokratischer Kompetenzen, vor allem der Fähigkeit, mit anderen Problemlagen und Konflikte zu diskutieren und gemeinsam zu lösen. Die Dilemma-Methode ist für Angehörige aller Alters- und Dienstgradgruppen geeignet. Leider hat das Modell eine große Schwachstelle: Es zielt auf das Training des Bewusstwerdens sowie die Anwendung der individuellen moralischen Urteils- und Handlungsfähigkeit. Es trifft keine Feststellungen darüber, ob das eigene Denk- und Handlungsmuster hoher oder niederer Qualität ist. Es geht also nicht darum, moralische Orientierungen zu verändern – so wie es eigentlich sein sollte – sondern es soll lediglich die Fähigkeit gefördert werden, die eigenen moralischen Orientierungen im Alltag anzuwenden. Ob diese aber gut oder weniger gut sind, danach fragt das Modell nicht.
Jedoch waren sich am Ende des Seminars Dozent, Pfarrer und die Teilnehmer einig, dass die Implementierung und Anwendung des Konstanzer Modells auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung ist. Dies auch, weil es mittels eines die moralische Urteilsfähigkeit messenden Tests möglich ist nachzuweisen, dass das Modell kurzfristige Erfolge bringt. Aber auch die regelmäßige Anwendung von bereits in der Bundeswehr vorhandenen Elementen der ethisch-moralischen Auseinandersetzung, wie das Leben und Erleben der Inneren Führung sowie der aktiven und regelmäßigen Teilnahme am Lebenskundlichen Unterricht, wurden als integraler Bestandteil der Förderung moralischer Urteilsfähigkeit herausgearbeitet. „Vielleicht sollten wir hierauf mal wieder mehr Gewicht legen“, so Militärpfarrer Georg Pützer bei der Verabschiedung der Gruppe. Und dem kann sich der Autor nur anschließen.
Dr. Detlef Buch
Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
|
|
|