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Die Armut bekämpfen, den Frieden aufbauen

Anmerkungen zum Motto des Weltfriedenstags 2009

Jörg Lüer, Deutsche Kommission „Justitia et Pax“, Berliner Büro
Die Situation der weltweiten Armut ist ein Skandal. Schon vor vierzig Jahren hat Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Populorum Progressio auf die Dringlichkeit hingewiesen, die Bekämpfung der Armut ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit zu rücken. Dabei hatte er unmissverständlich unterstrichen, dass die Überwindung der bestehenden Ungerechtigkeiten eine unverzichtbare Voraussetzung für einen wirklich tragfähigen Frieden ist. Mit der prägnanten Formulierung „Entwicklung ist das neue Wort für Frieden“ setzte er in einer Zeit, die vom Ost-West-Gegensatz und Rüstungswettläufen geprägt war, die Vorstellung einer integralen Entwicklung, die, an Gerechtigkeit orientiert, neue Horizonte menschlicher Entwicklung aufschloss. Diese Einsicht in den unauflöslichen Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden liegt auch den beiden Friedensworten der Deutschen Bischofskonferenz "Gerechtigkeit schafft Frieden“ (1983) und "Gerechter Friede“ (2000) zu Grunde.

Der Kampf gegen die Armut ist nicht in erster Linie ein Problem politischer und ökonomischer Effizienz. Es ist die Frage nach dem Platz der Gerechtigkeit in der Verfasstheit unserer Gesellschaften. Es ist nicht in erster Linie eine Frage des Lebensstandards und der Verteilung der Güter. Viel mehr noch ist es die Frage nach unserer Lebensweise. Die Gleichgültigkeit gegenüber bzw. die klammheimliche Zustimmung zu den Strukturen der Sünde prägt all diejenigen, die in ihnen und von ihnen leben. Die sichtbarsten und direktesten Auswirkungen hat dies auf die Armen. Doch gebe man sich nicht der Täuschung hin, es träfe nur die Armen in Nord und Süd. Die spirituellen Verwüstungen in den Gesellschaften des Nordens sind nicht zuletzt eine Auswirkung unserer praktischen Gewöhnung an die vielfältigen Formen der Ungerechtigkeit. Wer die Sümpfe der Gewalt austrocknen will, der muss den Zufluss des schwarzen Wassers der Ungerechtigkeit stoppen.

Wenn die öffentlichkeitswirksamen Leistungen der Entwicklungshilfe nicht von grundlegender Transformation der weltweiten Strukturen begleitet werden, wird die Entwicklungshilfe der reichen Länder letztlich nur Gnadenbrot und Feigenblatt für die unterlassenen Reformen im Dienst der Armen sein. Das Ziel ist, dass nicht nur Brosamen vom Tisch der Reichen fallen, sondern die Armen gleichberechtigt am Tisch Platz nehmen können.
"Opus Justitiae Pax“ das Werk der Gerechtigkeit ist der Frieden, sagt Jesaja. Dass dabei die Kirche herausgefordert ist, ihrerseits konkretes Zeugnis dieses gerechten Friedens zu geben, hat die Würzburger Synode 1975 klar festgestellt:

"Wir dürfen im Dienst an der einen Kirche nicht zulassen, dass das kirchliche Leben in der westlichen Welt immer mehr den Anschein einer Religion des Wohlstandes und der Sattheit erweckt, und dass es in anderen Teilen der Welt wie eine Volksreligion der Unglücklichen wirkt, deren Brotlosigkeit sie buchstäblich von unserer eucharistischen Tischgemeinschaft ausschließt. […] Die Kosten, die uns dafür abverlangt werden, sind nicht ein nachträgliches Almosen, sie sind die eigentlichen Unkosten unserer Katholizität, die Unkosten unseres Volk-Gottes-Seins, der Preis unserer Orthodoxie.“

Der ebenfalls von Paul VI. begründete Weltfriedenstag gibt uns die Gelegenheit, uns bewusst in diesen weltweiten Zusammenhang zu stellen und uns auf den auszurichten, von dem alle Gerechtigkeit und aller Friede ausgehen.

Jörg Lüer