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Verantwortlich leben"Selbstverantwortlich leben - selbst Verantwortung für andere übernehmen können", unter dieser Überschrift steht der Entwurf der neuen Zentralen Dienstvorschrift 10/4 zum Lebenskundlichen Unterricht (LKU).
Die Herausforderungen einer sich tiefgreifend wandelnden Gesellschaft mit ihrer großen Vielfalt an Meinungen in wesentlichen Fragen des Lebens fordern von allen Staats-bürgerinnen und Staatsbürgern in Uniform ein besonders geschärftes ethisches, rechtliches und politisches Bewusstsein und eine hohe Urteilsfähigkeit. Die Anforderungen, die die Auslandseinsätze an die Soldatinnen und Soldaten stellen, sind dabei besonders bedeutsam, z. B. die Gefährdungslage für Leib und Seele, Gewissensfragen im Blick auf auftragsgemäße Anwendung von Gewalt und umfassende friedensethische Fragestellungen.
Der LKU versteht sich als Beitrag zur Persönlichkeitsbildung der Soldatinnen und Soldaten und fußt auf einem umfassenden Bildungsbegriff. Den Militärseelsorgen kommt beim LKU eine besondere Rolle und Verantwortung zu. Dieser Unterricht als allgemein ver-pflichtende Veranstaltung wird in der Regel von Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorgern erteilt. Das geschieht nicht von ungefähr, sondern hat seinen Grund zum einen darin, dass der zentrale Begriff der Verantwortung in unserer Verfassung auf Gott bezogen ist. Zum anderen hat der entscheidende Impulsgeber des Konzepts der Inneren Führung, der spätere Generalleutnant Graf von Baudissin, seine christliche Prägung im Luthertum erfahren. Die Leitgedanken der Konzeption des "gewissengeleiteten Individuums", des "verantwortlichen Gehorsams" sowie der "konflikt- und friedensfähigen Mitmenschlichkeit" sind nur von daher verständlich.
LKU vermittelt gesellschaftliches Orientierungswissen. Dafür bedarf es der Orte vertrauensvoller Aussprache, methodischer Vielfalt und Handlungsorientierung. LKU ist explizit kein Religionsunterricht. Die Militärgeistlichen bleiben in ihrer weltanschaulichen Gebundenheit erkennbar. Sie vermitteln im Sinne eines "positionellen Pluralismus" Kenntnisse über die Quellen unserer Kultur, fördern dadurch die Vergewisserung der jeweils eigenen Identität und leiten zu Dialogfähigkeit und interkultureller Kompetenz an. Der Weg zu einem friedlicheren Miteinander in der Welt führt über Dialoge. Respekt voreinander ist dabei Grundvoraussetzung. Respekt bedeutet, Menschen bedingungslos zu achten. Theologisch heißt das, in jedem, in jeder ein Geschöpf Gottes zu sehen, das mit gleicher Würde ausgestattet ist wie man selbst. Das hat Konsequenzen für den Umgang miteinander: Ermahnung zum Respekt sowie Schutz vor Respektlosigkeit sind die eine Seite und Trost der unter Respektlosigkeit Leidenden die andere.
LKU leistet in der Vermittlung von gesellschaftlichem Orientierungswissen einen wesentlichen Beitrag, und die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr in ihrer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ist dabei Gesprächs- und Kooperationspartner der Streitkräfte. Dies geschieht im Miteinander - nicht im Gegeneinander. Friedlich miteinander leben in Verantwortung vor Gott und den Menschen ist gemeinsames Ziel.
Militärdekan Christian Fischer,
Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr (EKA)
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