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Gefallen, aber nicht im Krieg? | Elke Hoff, MdB,
FDP-Fraktion,
Mitglied im Verteidigungsausschuss
des Deutschen
Bundestages
Foto: © Deutscher Bundestag | Deutschland fehlt es auch 16 Jahre nach dem ersten bewaffneten Einsatz deutscher Bundeswehrsoldaten immer noch an einem selbstverständlichen Umgang mit seinen Streitkräften. Dies wird besonders dann deutlich, wenn man die öffentliche Anteilnahme nach der Rückführung gefallener Soldatinnen und Soldaten in ähnlich friedliebenden Gesellschaften wie Kanada oder den Niederlanden mit der eher nüchternen Zurückhaltung in Deutschland vergleicht. Deutschland erhebt zwar den Anspruch, außenpolitisch eine gefestigte Mittelmacht zu sein, befindet sich sicherheitspolitisch aber noch in einem Entwicklungsstadium. Uns fehlt es an einem gewachsenen Selbstverständnis im Umgang mit denjenigen Soldaten, die im Einsatz für unsere Werte - Freiheit, Demokratie und Menschenrechte - ihr Leben lassen müssen. Der Beruf eines Soldaten drückt sich vor allem im militärischen Prinzip von Befehl und Gehorsam aus. Die Pflicht zum Dienen geht dabei an die äußersten Grenzen menschlicher Entscheidungsmöglichkeiten, nämlich das eigene Leben für die Rechte und die Freiheit des deutschen Staates einzusetzen. Soldat sein ist deshalb kein Beruf wie jeder andere.
Der aus den Erfahrungen der beiden Weltkriege und der anschließenden politischen Aufarbeitung entstandene antimilitärische Reflex ist nach wie vor tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Daran haben Wiederbewaffnung, NATO-Doppelbeschluss, friedliche Wiedervereinigung und 15 Jahre Praxis als Partner in der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung nichts Grundlegendes geändert. Es ist für uns daher nicht leicht, einerseits die notwendigen Lehren aus unserer eigenen Geschichte zu ziehen und andererseits den Einsatz für den Frieden und die damit auch verbundene Notwendigkeit bewaffneter Auseinandersetzungen politisch auszuhalten.
Ein selbstverständlicher Umgang mit den eigenen Streitkräften findet dabei auch in Begriffen und Bezeichnungen wie Krieg, Kampfeinsatz, Gefallene und Sterben seinen Ausdruck. Sowohl die Bundeswehr als auch die Bevölkerung sind hier häufig weiter in der Akzeptanz dieser Begriffe als die politischen Entscheider selbst.
Die Aufgaben der Bundeswehr sind immer das Ergebnis politischer Entscheidungen. Politische Führung, Verantwortung und eine klare Wortwahl sind deshalb unabdingbar notwendig, um die Einsätze der Bundeswehr der Bevölkerung nachvollziehbar zu erklären. Eine Verengung der Bundeswehr auf eine riesige Institution, die viel Geld kostet, die nicht mehr vorrangig der Landesverteidigung dient und die hin und wieder in die Schlagzeilen gerät, muss vermieden werden.
In Krisensituationen erwarten wir zu Recht, dass unsere Soldatinnen und Soldaten für ihren Dienst vorbereitet und bereit sind. Wir erwarten damit von vielen Menschen und ihren Familien eine Opferbereitschaft bis zum Äußersten. Wenn sich der Bevölkerung nicht erschließt, wieso die Angehörigen der Bundeswehr bereit sein müssen, für unsere Werte notfalls ihr Leben zu opfern, hat die Politik versagt. Wir Politiker müssen in klaren und verständlichen Worten erklären, warum wir unsere Parlamentsarmee in unterschiedlichen Regionen einsetzen, welche nationalen Interessen dabei geschützt und verteidigt werden sollen und dass wir als Teil eines großen Verteidigungsbündnisses unseren Beitrag zur kollektiven Sicherheit leisten müssen und wollen. Wenn es uns heute nicht gelingt, die persönliche Opferbereitschaft der Soldaten mit einem notwendigen gesellschaftlichen Konsens in Einklang zu bringen, verschließen wir die Augen vor den außen- und sicherheitspolitischen Realitäten nach der Beendigung des Kalten Krieges. Deshalb muss klar sein, dass Soldatinnen und Soldaten in den vom Deutschen Bundestag mandatierten Einsätzen auch ihr Leben lassen können. Der Begriff "fallen" sollte von der Politik nicht deshalb verwendet werden, um den Empfindungen in der Truppe entgegenzukommen, sondern auch um eine unsinnige Debatte über Krieg oder Nichtkrieg zu beenden. Deutsche Soldatinnen und Soldaten sind in einem politisch gewollten Einsatz und sie fallen dabei für die von unserer Gesellschaft definierten und gelebten Werte, und das sowohl in einem humanitären Einsatz als auch im Krieg.
Elke Hoff, MdB
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