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Vor 150 Jahren: Die Schlacht von SolferinoAnlass zur Gründung des Internationalen Roten Kreuzes | Gedenkstätte für das Rote Kreuz | „Die Sonne des 25. Juni beleuchtet eines der schrecklichsten Schauspiele, das sich erdenken lässt. Das Schlachtfeld ist allerorten bedeckt mit Leichen von Menschen und Pferden. ... Überall liegen Tote und die Umgebung von Solferino ist im wahren Sinne des Wortes mit Leichen übersät. ... Die Einwohner haben sich nahezu zwanzig Stunden im Keller verborgen, ohne Licht und ohne Lebensmittel. Jetzt kommen sie hervor. Ihr verstörtes Aussehen zeugt von dem langen Schrecken, den sie ausgestanden haben.“
Die Schlacht von Solferino, unweit des Gardasees, bei der sich am 24. Juni 1859 auf den Seiten Frankreichs und Österreichs jeweils über 100.000 Soldaten gegenüberstanden, ist nur eine von unzähligen im 19. Jahrhundert und dürfte sich äußerlich kaum von den vielen übrigen unterschieden haben. Sie entschied mit der Niederlage Österreichs den „Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg“ und verdankt ihre Nachwirkung einem Kriegsbericht über diese Schlacht: Henry Dunants „Eine Erinnerung an Solferino“ – ein Text, der zum Meilenstein in der Entwicklung der Rotkreuzbewegung und des Kriegsvölkerrechts, das man heute das ‚humanitäre Völkerrecht‘ nennt, geworden ist.
Der Genfer Kaufmann Henry Dunant war zufällig Zeuge des Geschehens. Mehr und mehr wird aus dem zunächst objektiv und historisch gehaltenen Bericht die Beschreibung subjektiven Erlebens und eigenen Engagements: „Dort liegt ein völlig entstellter Soldat, dessen Zunge übermäßig lang aus dem zerrissenen und zerschmetterten Kiefer heraushängt. ... Einem anderen Unglücklichen ist durch einen Säbelhieb ein Teil des Gesichts fortgerissen worden. ... Ich gebe ihm zu trinken und lasse auf sein blutendes Antlitz einige Tropfen klares Wasser träufeln. Ein Dritter, dessen Hirnschale weit offen klafft, liegt in den letzten Zügen. Sein Gehirn fließt auf die Steinfliesen der Kirche. Seine Unglücksgefährten versetzen ihm Fußtritte, weil er den Durchgang versperrt. Ich schütze ihn in seinem Todeskampf und bedecke seinen armen Kopf ... mit meinem Taschentuch.“ In den ‚Erinnerungen‘ lässt Dunant keinen Zweifel, dass ihn christliches Ethos und christliche Vorbilder zu seinem Handeln motiviert haben.
Nach seiner Rückkehr nach Genf ließen ihn die Ereignisse von Solferino nicht los. Er entwickelte Ideen, wie solche grauenhaften Zustände in Zukunft zumindest gemildert werden sollten, und schlägt die „Gründung von Hilfsgesellschaften für Verwundete in den verschiedenen Ländern Europas“ vor. In der Genfer ‚Gemeinnützigen Gesellschaft‘ gründete man im Februar 1863 eine Kommission, die ab 1876 ‚Internationales Komitee vom Roten Kreuz‘ (ICRC) heißen sollte und heute ähnlich dem Heiligen Stuhl oder dem Souveränen Malteserorden einen besonderen völkerrechtlichen Status (‚partikuläre Völkerrechtssubjektivität‘) genießt. 1864 lud der Schweizer Bundesrat zu einer diplomatischen Konferenz nach Genf ein, aus der dann im August die erste Genfer Konvention hervorging. In ihr wurde der Grundsatz festgeschrieben, dass verwundete und kranke Militärangehörige „ohne Unterschied der Nationalität“ (Art. 6) in die – ihrerseits besonders geschützten – Lazarette aufgenommen und gepflegt werden sollen. Als Kennzeichen, das den Schutz verbürgen sollte, einigte man sich auf das in den Farben umgestellte eidgenössische Wappen, ein rotes Kreuz auf weißem Grund.
Dr. Bernhard Koch,
Projektleiter am Institut für Theologie und Frieden (Hamburg)
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