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Menschenbilder | Klaus Ebeling,
Projektleiter Ethik im Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr Foto: privat | Menschen sind „sich selbst interpretierende Tiere“. Allerdings können sie deshalb nicht wie die anderen Tiere leben: Sie sind eben doch auch anders als Tiere. Ihre Lebensform ist sowohl aufgespannt zwischen dem, was (natürlich oder kulturell) vorgegeben und dem, was möglich ist, als auch zwischen dem, was gewollt werden kann und dem, was gewollt werden soll. In diesem ethisch geladenen Spannungsfeld suchen wir Klarheit über uns zu gewinnen. Dabei entdecken und entwickeln wir Bilder von uns: Bilder mit Maßstäben und Perspektiven für eine gute Lebensführung, mit denen wir uns anfreunden können, aber auch enttäuschende Bilder, die uns eher schlecht oder zwiespältig aussehen lassen, vielleicht gar alle Wunschbilder und Ideale radikal in Frage stellen.
In der menschlichen Reflexionsgeschichte sind unüberschaubar viele Menschenbilder als wahr behauptet oder als wahr zu machende propagiert worden. Zwei Grundtypen, auf die diese Formulierung anspielt, seien im Folgenden knapp charakterisiert.
Wesensbestimmungen
Hier dominiert die Absicht, das Wesen des Menschen zu fixieren: durch Hervorhebung spezieller Eigenschaften und Möglichkeiten, durch Zuordnung und in Abgrenzung von anderen Lebewesen sowie durch seine Verortung im Kontext all dessen, was geschieht oder wirklich ist. Je nach Perspektive gelten natürliche oder kulturelle Merkmale, auch Beziehungen zwischen ihnen, als entscheidend: z. B. Vernunftbegabung und Sprachfähigkeit oder Sozialität und Religiosität. Dementsprechend kennzeichnen besonders zwei gegenläufige Gefahren diese Definitionswege. Die eine ergibt sich aus Blickverengungen auf jeweils eine Perspektive, eine methodische Zugangsart und Wissensform etc.: So scheint der Mensch wesentlich nichts anderes als … zu sein, z. B. ein Instrument egoistischer Gene, ein rational kalkulierender Nutzenmaximierer. Die andere Gefahr bilden Identitätsprobleme. Im Bemühen, vielfältigen Wesenszügen gleichermaßen gerecht zu werden, kompliziert sich die Frage nach der inneren Einheit unserer Existenz: Wenn wir weder bloß biologisch determinierte Natur- noch freischwebende Geistwesen sind, was sind wir dann – eigentlich? Wie lässt sich „Einheit von Leib und Seele“ denken? So leben heute viele, mit gebrochenem Selbstverständnis, in verschiedenen Bildwelten. Öffentlich dominieren (vermeintlich wissenschaftlichen Erkenntnissen folgend) rationalistische und instrumentalistische Vorstellungen, privat möchte man aber trotzdem weiterhin „romantisch“ denken und fühlen, irgendwie „ganzheitlich“.
Gestaltungsperspektiven
Von Ernst Bloch stammt das Wort „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Also werden wir erst.“ Er umschreibt damit, dass die uns aufgegebene Lebensführung konkret in Beziehungen zu gestalten ist, genauer: in einem Geflecht von Selbst- und Sozialbeziehungen und einem durch sie vermittelten Weltverhältnis. Wie schwierig es ist, bestimmte Möglichkeiten mit überzeugenden Gründen auszuzeichnen, zeigt allein schon der weltweit geführte Streit über Menschenwürde und Menschenrechte. Gibt es da überhaupt ein krisenfest gemeinsames Fundament? Aus welchen Quellen lassen sich jene dringend benötigten, menschlich reichen und ausdrucksstarken Bilder (wieder?) gewinnen, die dazu anleiten können, die Identität des Menschen in der Pluralität seiner Lebensformen zu wahren, anders gesagt: Einheit (soviel wie nötig) und Vielfalt (soviel wie möglich) lebensfreundlich auszubalancieren?
Bildskepsis
Es war einmal weithin selbstverständlich, dass vom Menschen letztlich angemessen nur religiös zu sprechen sei, auch weil anders die Einsicht in seine radikale Endlichkeit ihn dazu verführe, sie (und am Ende sich selbst) absolut zu setzen. Viele sehen das längst ganz anders und können auch dem Auferweckungsglauben des (im Übrigen keineswegs idealistisch hochgestimmten) christlichen Menschenbildes nicht mehr folgen. Zumindest dies aber sollte jeder bedenken: Bereits der fragende Bezug auf Gott mahnt zur kritischen Reflexion aller Bildwünsche. Bezogen auf Gott, der alles menschliche Begreifen übersteigt, bleibt sich auch der Mensch selber fraglich oder: ein Geheimnis. Darin ist seine Würde geborgen.
Klaus Ebeling,
Projektleiter Ethik im Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr
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