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Disziplin | Lothar Bendel, LWissDir i. K., Referatsleiter im Katholischen Militärbischofsamt Foto: © KMBA | Der Begriff Disziplin (lat. disciplina) begegnet uns in zweifacher Bedeutung. Zum einen bezeichnet er die Orientierung des Handelns an den vorgegebenen Regeln und Formen einer Gemeinschaft bzw. einer Gruppe, die normabweichendes Verhalten durch Sanktionen ahndet. In diesem Sinne sprechen wir von soldatischer Disziplin, kirchlicher Disziplin, aber auch vom disziplinierten Spiel einer Fußballmannschaft.
In ethischer Perspektive ist nach der Legitimität sowohl des jeweiligen Regelkomplexes als auch der Angemessenheit von Sanktionen bei Regelverstößen zu fragen.
Disziplin als Selbstbeherrschung
In einer anderen Bedeutung verstehen wir unter Disziplin Selbstbeherrschung als Kontrolle von Bedürfnissen, Affekten und Wünschen.
Disziplin als Tugend erläutert exemplarisch den Charakter der sogenannten „instrumentellen Tugenden“ (Richard M. Hare) oder „Vollzugstugenden (Onora O’Neill), die für erfolgreiches Handeln in allen Lebensbereichen wichtig sind. Insofern die alltägliche Erfahrung die Unverzichtbarkeit dieser Tugenden erweist, zu denen man nach O’Neill Selbstachtung, Entschlusskraft, Mut, Ausdauer, Sorgfalt und Genauigkeit u. a. zählen kann, erscheint ihre Rechtfertigung nicht problematisch. Ohne Disziplin kann kein Arzt seine Heilungsaufgabe erfüllen, ohne Disziplin wird keine Kandidatin „Germany’s Next Topmodel“. Ohne Disziplin wird aber auch keine Piratencrew erfolgreich vor dem Horn von Afrika Schiffe kapern.
Wirksames Handeln verlangt durchweg Disziplin, unabhängig von der sittlichen Qualität des jeweiligen Handlungszweckes. Eine instrumentelle Tugend wie die Disziplin motiviert aus sich heraus weder zum moralischem Handeln noch kann sie diesem Orientierung geben, wirksames moralisches Handeln ist jedoch auf sie angewiesen. Erst im Dienste ethisch geprüfter und gerechtfertigter Handlungsziele gewinnt also die in allen Lebensbereichen nötige Disziplin ihre moralische Qualität.
Disziplin und Maß
In der Tradition der Tugendethik ist immer wieder nach der Unterscheidung und Beziehung von Disziplin und Maß (lat. temperantia) gefragt worden. Die Tugend des Maßes, die traditionell zum Kanon der Kardinaltugenden gezählt wird, bezieht sich auf die natürliche Antriebsstruktur des Menschen, zu der Grundbedürfnisse wie Nahrung, Sexualität, soziales Prestige u. a. gehören. Sie zielt nicht auf die Negation dieser Bedürfnisse, sondern auf deren geordnete Befriedigung, die den kontraproduktiven und destruktiven Tendenzen einer ungeordneten Bedürfnisbefriedigung (welche auf Dauer und aufs Ganze die Genussfähigkeit selbst zerstört) entgegenwirkt, in erster Linie aber „... Handlungsfreiheit sichert, indem sie ihn (sc. den Menschen) in Distanz zu den eigenen vitalen Antrieben bringt. Nur so kann er sich zu ihnen verhalten.“ (Josef Schuster: Moralisches Können. Studien zur Tugendethik, S. 173 f.)
Die Tugend des Maßes ist deshalb in erster Linie kein „Instrument“ für erfolgreiches Handeln wie die Disziplin, sondern wesentlich durch den Bezug auf die Verwirklichung eines guten, eines vernünftigen, selbstbestimmten Lebens definiert.
Dass wir Menschen, die diszipliniert handeln und das rechte Maß kennen, loben und undiszipliniertes, maßloses Verhalten tadeln, zeigt: Disziplin ist keine natürliche Eigenschaft der Menschen, sie muss vielmehr erworben und eingeübt werden. Sicherlich kann der Wunsch z. B. nach beruflichem Erfolg, nach einer förderlichen Beurteilung ein wichtiges Motiv bilden, Disziplin zu entwickeln und einzuüben. Leicht fallen werden Disziplin und maßvolles Handeln jedoch demjenigen und derjenigen, deren Selbstverständnis vernünftigen Selbstbesitz beinhaltet und die eben deshalb ein geordnetes Verhalten zu ihren Affekten, Wünschen und Begierden als Tugend einüben.
Lothar Bendel
LWissDir i. K., Referatsleiter im Katholischen Militärbischofsamt
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