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Liebe Leserinnen und Leser, | "…um nicht Wahrheit und Wahrhaftigkeit
im politischen Geschäft strapazieren zu müssen..." Foto: © BDKJ | die Ereignisse und die öffentlichen Kommentierungen, Bewertungen und vorschnellen Schlussfolgerungen von Anfang September 2009 führen in aller Deutlichkeit vor Augen, dass zur Stabilisierung und Unterstützung der Islamischen Republik Afghanistan – so die selbst gewählte verfassungsrechtliche Zuordnung der geschundenen afghanischen Nation und Bevölkerung – die in ISAF zusammengeschlossenen Staaten das äußerste Mittel einsetzen. Es geht um "close air support", in dessen Folge von Taliban gekaperte Tanklastzüge in der Nähe von Kunduz bombardiert wurden, wobei auch Zivilisten ums Leben kamen. Äußerstes Mittel meint hier nicht das letzte Mittel, sondern bedeutet im konkreten Fall die Anwendung militärischer Gewalt. Womöglich will dies bislang, gerade hier in Deutschland, niemand so recht wahr haben und nimmt anderes, eher freundlich Ziviles in den Fokus der eigenen Betrachtung.
Allerdings: auch wenn noch nirgends öffentlich zugänglich, regeln die "Rules of Engagement", die die beteiligten Regierungen für den ISAF-Einsatz aushandelten und in denen die jeweiligen nationalen Vorbehalte im Ziel und im Ergebnis festgeschrieben worden sind, den Einsatz militärischer Gewalt. Für deutsche Soldaten, die in Afghanistan militärisch notwendige und begründete Entscheidungen treffen müssen, macht sich dies in der seit Juli 2009 neu gefassten Taschenkarte fest, die wohl auch mit Blick auf die deutsche Staatsanwaltschaft präzisiert worden war. Allem vorgelagert dürfte der öffentlich nicht zugängliche Allgemeine Umdruck 1/100 sein, der als "Handbuch für Einsätze der Bundeswehr im Frieden außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland" Näheres regelt.
Mit der Entscheidung, das äußerste Mittel im Stabilisierungs- und Unterstützungseinsatz zugunsten der afghanischen Regierung zu integrieren, gilt zu bedenken, dass dieses dann zur Wirkung kommen muss, sofern eine gebotene militärische Situation dies erforderlich macht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr nannte das zuletzt "einmalig". Es jedoch auszuschließen würde dem Prinzip Hoffnung frönen, was dem zuwiderlaufen würde, was der Vater des in Afghanistan zu Tode gekommenen Soldaten anlässlich der feierlichen Eröffnung des Ehrenmals der Bundeswehr vor den versammelten staatlichen Verfassungsorganen im Bendlerblock so umschrieb: "Wir können es ertragen, wenn man die realen Umstände beim Namen nennt." Womöglich wollte der Vater mit seinen Worten etwas aufbrechen, was bislang eher verdrängt wurde.
Es gilt, den Einsatz des äußersten staatlichen Mittels "von seinem Ende her zu bedenken". Das mag gerade in parlamentarischen Demokratien nicht einfach sein, denn ein beschlossener Streitkräfteeinsatz bedarf der Akzeptanz bei gesellschaftlich bedeutsamen Institutionen und Medien außerhalb des Parlaments. Nur: mit zur Vollständigkeit zählt auch, um nicht Wahrheit und Wahrhaftigkeit im politischen Geschäft strapazieren zu müssen, umfassend Auskunft darüber zu geben, was mit zur soldatischen Grundpflicht zählt. Auskunft darüber gibt kein geheimes und unter Verschluss gehaltenes Dokument, welches im Kontext neuer außen- und sicherheitspolitsicher Wirklichkeiten nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation neu gefasst, aber in seiner inhaltlichen Substanz nicht prinzipiell verändert wurde.
Die dort vorgenommene nähere Präzisierung der soldatischen Grundpflicht, nämlich der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und sie tapfer zu verteidigen, in dem Fall am Hindukusch – mit dem politischen Willen bekundet und bekräftigt –, bricht die Zentrale Dienstvorschrift 10/1 zum Selbstverständnis und zur Führungskultur der Bundeswehr, der Inneren Führung (welche Anfang 2008 durch den Bundesminister der Verteidigung erlassen wurde), in Ziffer 105 mehr als eindeutig auf die Ebene des soldatischen Entscheidens und Handelns herunter: "Ihr militärischer Dienst schließt den Einsatz der eigenen Gesundheit und des eigenen Lebens mit ein und verlangt in letzter Konsequenz, im Kampf auch zu töten."
Dies ist mit Grund dafür, diese Ausgabe der Zeitschrift des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr mit Blick auf die unterschiedlichen ethischen und politischen Aspekte dem Schwerpunktthema "Kämpfen" zu widmen.
Josef König, Chefredakteur
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