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Solidarität mit den Menschen im Irak

Eindrücke einer Delegationsreise durch den Nordirak

Der chaldäische Bischof Rabban Al-Kass von Amadaya-Shamkan und Erbil inmitten einer Gruppe von jungen Erwachsenen seiner Gemeinde in Ankawa / Erbil
Fotos (2): © Christine Hoffmann
Die Delegationsreise, die Pax Christi International vom 10. bis 17. September unternommen hat, um Solidarität mit den Menschen im Irak zu zeigen und das Leben der Christen dort kennen zu lernen, führte mich durch Kurdistan und in umkämpfte Gebiete, beispielsweise die Ölstadt Kirkuk.

„Ich möchte Bagdad sehen, denn meine Eltern erzählen so begeistert von dieser Stadt. Aber bisher konnte ich nicht nach Bagdad fahren, weil mein Leben lang Krieg war.” So antwortete ein 20-jähriger Student aus der chaldäischen Gemeinde Ankawa / Erbil als ich ihn nach seinen Träumen für die Zukunft fragte. Andere aus der Gruppe junger Erwachsener, die gerade per Facebook ein Kooperationsprojekt mit einer französischen pax christi-Gruppe in Troyes/ Champagne begonnen haben, wünschen sich Reisen oder im Ausland studieren zu können. Sie suchen nach Zukunftsperspektiven. Auswandern ist für die meisten keine Perspektive und es ist ihnen wichtig, ihr Land zu gestalten und von Gewalt und Unsicherheit zu befreien.

Chaldäische und assyrische Christen leben seit biblischen Zeiten in diesem Land und wollen ihre Heimat nicht verlieren. Während unseres Besuchs im Nordirak habe ich vielfach die Aufforderung an die westliche Welt gehört, die Verbesserung der Sicherheitslage im Land und den Wiederaufbau stärker zu unterstützen. Die gezielte Aufnahme irakischer Flüchtlinge in Europa und den USA wurde von manchem Bischof skeptisch betrachtet. Sie erleben, dass immer mehr Christen den Irak verlassen und befürchten, dass so diese Wiege des Christentums verloren geht.

"Wildes Kurdistan?"

Kurdistan ist der sicherste Teil des Irak und verfügt über parlamentarische Strukturen. Aber selbst hier fürchten die Christen sich vor Entführungen. Die Unberechenbarkeit der Gefahr belastet das Leben sowohl der christlichen als auch der muslimischen Bevölkerung. Während unseres Aufenthalts gab es zwei größere Bombardierungen, u. a. einen Anschlag auf ein muslimisches Dorf. Als Täter werden ausländische Extremisten in Kooperation mit ortskundigen Einheimischen vermutet. Eine Aufklärung der Tat wurde von keinem unserer Gesprächspartner erwartet. Das zeigt, dass Verbesserungen der Lebenssituation der Christen unmittelbar mit der Stabilisierung der Lage der gesamten Bevölkerung verbunden sind.

Die internationale pax christi-Delegation mit dem chaldäischen Bischof Louis Sako und sunnitischen Repräsentanten aus Kirkuk
Die christlichen Bischöfe und Orden setzen sich für die Verbesserungen der Lebenssituation in ihrem Land ein. Dies geschieht durch den Aufbau sozialer Infrastruktur, des Gesundheits- und Bildungswesens und durch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Beindruckende Beispiele dieses Engagements konnten wir kennen lernen. In der nördlichen Stadt Dohuk besuchten wir eine internationale, koedukative Schule der chaldäischen Kirche in der muslimische, christliche, yezidische und turkmenische Kinder neben dem Schulwissen auch die Grundlagen friedlichen Miteinanders lernen. In Qaraqosh erlebten wir, wie die dortigen Dominikanerinnen sich an Grundschulen und in Kindergärten für Friedenserziehung einsetzen. Bildung steht im Zentrum der christlichen Gemeinwesenarbeit in Kurdistan.

Projekt Dialog

Der Dialog mit Muslimen als Basis des Zusammenlebens ist das zentrale Projekt des chaldäischen Bischofs, Louis Sako von Kirkuk. Seine Kirche liegt in direkter Nachbarschaft zu einer Moschee, der wir am Ankunftsabend in Kirkuk ganz selbstverständlich einen Besuch abstatteten. Seine freundschaftlichen Kontakte ermöglichen es ihm auch, den Imam aus der Nachbarmoschee anzurufen, wenn ihm berichtet wird, er habe bei der Freitagspredigt schlecht über die Christen gesprochen. Dann fordert er ihn auf, eine der Koranstellen zu besprechen, die von gutem Miteinander mit Christen berichten – was dann am folgenden Freitag auch geschieht. Wichtige Schritte auf dem Weg der Versöhnung.

Solche Versöhnungsprozesse, die der Irak so dringend braucht, können wir unterstützen: durch Interesse an Land und Leuten und durch Zusammenarbeit mit den christlichen Kirchen im Irak.

Christine Hoffmann,
Generalsekretärin der Deutschen Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi