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Liebe Leserinnen und Leser, | „Der 9. November
1989 wird das Bild
über das Ende der
DDR noch lange
prägen.“ Foto: © BDKJ | es lohnt sich, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer in Berlin und der Öffnung der innerdeutschen Grenze, einige Daten in Erinnerung zu rufen. Der seit 1970 jährlich im Deutschen Bundestag kontrovers zwischen Regierung und Opposition beratene Bericht zur „Lage der Nation im geteilten Deutschland“ gab Auskunft darüber, wie es um die Deutschland- und Entspannungspolitik sowie die Perspektive für die Menschen „hüben und drüben“ bestellt war. Ergänzend dazu veröffentlichte „Materialien“ erleichterten die eigene Urteils- und Meinungsbildung. Ende 1975 erschien erstmals ein durch das damalige „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen“ verantwortetes „Handbuch DDR“, welches in zahlreichen Hauptartikeln, systematischen Stichwortsammlungen und zusätzlichen Hinweisen heute zu den wichtigen regierungsamtlichen Dokumenten der Geschichte der geteilten Nation zählt.
Die DDR konnte als östlicher Teil der Nation trotz der mit Beginn des Kalten Krieges begonnenen und sich verstetigenden Spaltung nur überleben, weil ihre damaligen Machthaber u. a. über Mauer, Stacheldraht, Minenfelder, Sperrbezirke und nicht zuletzt einen Schießbefehl auf Menschen verfügten, die als „Republikflüchtlinge“ bezeichnet wurden. Die Zahlen-angaben zu den Toten an der innerdeutschen Grenze sind je nach Quelle sehr unterschiedlich und schwankten im Laufe der Jahre nach der deutschen Einheit. Die Berliner Staatsanwaltschaft gibt 169 Todesfälle durch Gewaltakte für die Zeit vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 an der DDR-Grenze einschließlich Berlins an. Das Museum „Haus am Checkpoint Charlie“ gab auf der 137. Pressekonferenz folgende Zahlen an: Insgesamt 1.065 Grenz- und Mauertote. Ein gemeinsames Forschungsprojekt der „Gedenkstätte Berliner Mauer“ und des „Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam“ wird die genaue Zahl der Todesopfer und ihre Lebensgeschichten sowie die Todesumstände ermitteln, denn diese Aspekte dürfen auch 20 Jahre danach nicht ausgeblendet werden. Sie zählen mit zur Geschichte.
Am 3. Oktober 2009, dem 19. Jahrestag der staatlichen Einheit Deutschlands, wurde in der Saarbrücker Innenstadt gefeiert. Unter dem Motto „Europa leben“ waren neben den Bundesländern auch die angrenzenden Nachbarländer Luxemburg und Frankreich mit dabei. In der Rede vor den Repräsentanten der staatlichen Verfassungsorgane erinnerte Bundeskanzlerin Angela Merkel an zurückliegende Stationen: „Das Jahr 2009 ist ein Jahr historischer Wegmarken. Wir haben uns am 1. September dieses Jahres an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren erinnert. Wir haben am 23. Mai 60 Jahre Grundgesetz und 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland gefeiert. Und wir werden in wenigen Wochen, am 9. November, 20 Jahre Mauerfall feiern.“ Einige von uns sind sowohl Zeugen als auch Beteiligte gewesen, waren also selbst dabei, als der 2. Weltkrieg begann, das Grundgesetz für den freien westlichen Teil verkündet wurde und – als sich die Mauer in Berlin und die innerdeutsche Grenze öffnete.
Zu erinnern gilt daran, dass es mutige Frauen und Männer in der damaligen DDR waren, die Monate zuvor am Ergebnis der Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 zweifelten und das vermeintliche Zustandekommen öffentlich hinterfragten. Für den weiteren Prozess der friedlichen Emanzipation der Wähler von der Partei- und Staatsführung der DDR war dies bedeutsam. Zuvor waren es drei Ökumenische Versammlungen in Magdeburg und Dresden mit Delegierten aus allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, sie sich unter dem Thema „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ zusammenfanden, dabei auch – unter dem Stichwort „Mehr Gerechtigkeit in der DDR – unsere Aufgabe, unsere Erwartung“ – einen Blick auf die inneren Verhältnisse wagten. Im Sommer desselben Jahres nutzten viele Familien den Urlaub in den „sozialistischen Bruderländern“ Polen, CSSR und Ungarn als Chance, um über die Besetzung der bundesdeutschen Botschaften in Warschau, Prag und Budapest die Ausreise zu erzwingen. Ungarn öffnete die Grenze zu Österreich – weitere ausreisewillige Bürgerinnen und Bürger der DDR sahen darin die Gelegenheit, das Land zu verlassen. In Leipzig demonstrierten am 9. Oktober nach dem Montagsgebet in der Nikolaikirche 70.000 Menschen friedlich – und dies in der völligen Ungewissheit darüber, ob nicht „bewaffnete Kräfte“ letztendlich doch Gewalt einsetzen würden.
Trotzdem: es ist der 9. November, der nach einer verklausulierten Erklärung des Mitglieds des Politbüros der SED, Günter Schabowski, folgenreich war: „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen – Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse – beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der VPKÄ (Volkspolizei-Kreisämter) in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dabei noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen.“ Der 9. November 1989 wird das Bild über das Ende der DDR noch lange prägen.
Josef König,
Chefredakteur
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