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Willst du den Frieden fördern, so bewahre die Schöpfungvon Prof. Dr. Klaus Töpfer | Ein Landwirt holt Wasser von
einem fast trockenen Teich in
der südostchinesischen Provinz
s-Jiangxi, November 2009
© picture alliance / landov | Der Klimagipfel von Kopenhagen: Wissenschaftler belegen, dass eine ungebremste, ja sogar noch ansteigende Nutzung der fossilen Energieträger Kohle, Mineralöl und Gas durch CO2-Emissionen das Weltklima aus dem Gleichgewicht bringt. Dies hat dramatische Konsequenzen für die Natur, für das „Naturkapital“ – für die Schöpfung. Der Mensch gefährdet die „Dienstleistung“ der Natur, die er weitgehend kostenlos erhält und der Vielfalt der Arten, dem Kreislauf des Wassers, den Angeboten der Ozeane und der Lebenskraft der Böden verdankt. Die Auswirkungen dieser Veränderungen des Klimas und der Leistungsfähigkeit der Natur auf die menschliche Gesellschaft sind ebenso drastisch wie weitreichend: Lebensräume und Existenzgrundlagen vieler Menschen, insbesondere in Regionen mit einer sehr fragilen Natur, werden gefährdet.Viele werden ihre Heimat verlassen müssen – der Flüchtlingsstrom aus Afrika über das Mittelmeer ist bereits gegenwärtig. Er ist ein unübersehbares Indiz und Signal einer aus der Destabilisierung der Natur hervorgehenden Immigration.
Aufgabe des Klimagipfels von Kopenhagen war, dieser Ausbeutung der Natur durch den Menschen ein Ende zu setzen. Die Gipfelteilnehmer sollten klar machen, dass gerade wir in den hoch entwickelten Ländern nicht mehr die Kosten unseres Wohlstands auf die Menschen, die fern von uns leben, abwälzen können – ebenso wenig auf kommende Generationen oder auf die Natur. Wer auf Kosten der Natur oder anderer Menschen seinen Wohlstand anhäuft, verursacht Spannungen, Konflikte, gefährdet den Frieden.
Wer Schöpfung ausbeutet und vernichtet, wer Naturkapital gedankenlos übernutzt, der beschädigt damit das friedliche Zusammenleben der Menschen. So ist die herausfordernde Feststellung von Papst Benedikt XVI. eine zentrale Botschaft an uns alle, aber in besonderer Weise an jene, die eine globale Strategie gegen den Klimawandel erreichen wollen: „Willst du den Frieden fördern, so bewahre die Schöpfung!“ Wer Schöpfung zerstört, sät Unfrieden, stellt Zukunft in Frage, bereichert sich auf Kosten anderer und zu Lasten zukünftiger Generationen.
Papst Paul VI., der große Montini-Papst, hat sich in seiner großartigen, richtungsweisenden Enzyklika „Populorum progressio“ bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mit den veränderten Voraussetzungen für eine friedliche Entwicklung dieser Welt auseinandergesetzt. Paul VI. kam zu der Schlussfolgerung: „Entwicklung ist der neue Begriff für Frieden!“ Ist dies, so muss gefragt werden, ein Gegensatz zu der Feststellung des Papstes Benedikt XVI., dass die Schöpfung zu wahren ist, wenn man Frieden will? Widersprechen sich die Ziele Bewahrung und Entwicklung?
Denkt man diese beiden päpstlichen Aufrufe zum Frieden in ihrer neuen Dimension in einem gemeinsamen Zusammenhang, so kommt man keineswegs zu einem Gegensatz. Ganz im Gegenteil! Entwicklung ist in einer Welt der drastischen Gegensätze zwischen Arm und Reich, zwischen Nord und Süd, eine Voraussetzung zu einem friedlichen Miteinander. Zu Recht wurde Muhammad Yunus, der Bankier der Armen in Bangladesh, der „Erfinder“ der Kleinkredite, im Jahre 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In seiner Dankesrede betonte auch er, die gewaltigen Wohlstandsunterschiede in dieser Welt seien „not a formula for peace“.
Entwicklung, die Überwindung der Armut und der Perspektivlosigkeit, die Beseitigung von Slums und Hoffnungslosigkeit – sie sind zentraler Bestandteil jeder Friedenspolitik. Die Beseitigung von Armut ist ein entscheidendes Abrüstungsinstrument zur Vermeidung von Konflikten und Spannungen. Diese notwendige Entwicklung kann ihre Frieden stiftende Wirkung nicht erreichen, wenn sie auf Kosten der Schöpfung betrieben wird. Eine Entwicklung, die auf der Zerstörung der Natur aufbaut, ist bestenfalls eine kurze Atempause und wird in der Folge das Ausmaß der Spannungen, der Frieden gefährdenden Konflikte verschärfen.
Die Verbindung der Friedensbotschaften der beiden Päpste ist somit mehr als zwingend und sehr logisch. Entscheidend für den Frieden, von dem sie sprechen, ist, dass Entwicklung nicht die Schöpfung, die Natur und ihre Leistungsfähigkeit für den Menschen in Frage stellt. In die Sprache der politischen Zielsetzungen übersetzt bedeutet dies: Nachhaltige Entwicklung ist der neue Begriff für Frieden. Denn Nachhaltigkeit bedeutet gerade, dass man nicht auf Kosten kommender Generationen Wohlstand aufbaut, dass man nicht ungedeckte Hypotheken hinterlässt. Nachhaltigkeit verpflichtet, nicht auf Kosten anderer zu leben, sondern die vollen Kosten des Wohlstands auch in den Preisen dieses Wohlstands zu bezahlen. Nachhaltigkeit verpflichtet dazu, auch die sozialen Brüche und tiefen Gräben innerhalb unserer eigenen Gesellschaft nicht einfach hinzunehmen, sondern ihre Überwindung, ihren Abbau zu einer ethischen Verpflichtung zu machen.
Papst Benedikt XVI., Papst Paul VI. – beide verbindet die sorgenvolle Frage, wie in unserer Welt Frieden erhalten werden kann. Es ist eine Welt, die bald schon 9 Milliarden Menschen tragen wird und die diesen ein menschenwürdiges Dasein ohne existenzielle Armut, ohne Sorgen um das friedliche Zusammenleben ermöglichen soll. Wenn du Frieden willst, bewahre die Schöpfung. Denn du kannst nur dann allen Menschen eine Entwicklung ermöglichen, wenn diese auf einer intakten Natur und auf einer Schöpfung bewahrenden Verantwortung aufbaut. Es besteht also kein Widerspruch zwischen diesen beiden päpstlichen Botschaften. Im Gegenteil: Sie eint ein Schöpfungsverständnis, das gründet auf christlicher Verantwortung, auf Nächstenliebe zu anderen Menschen, die mit uns auf diesem Globus leben und auf Verantwortung gegenüber kommenden Generationen.
Bundesminister a. D. Prof. Dr. Klaus Töpfer,
Stellvertretender Vorsitzender des Rates für Nachhaltigkeit, war bis 2006 Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und Generaldirektor des UN-Büros in Nairobi (UNON). Zuvor war er 1987–1994 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie 1994–1998 für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Weitere Bilder | Zwei junge Frauen mit Atemschutzmasken
gegen die starke
Luftverschmutzung in Peking,
September 2009
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