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Nachhaltigkeit ist ein ethisches PrinzipBetrachten wir diese wirre Zeit nicht als Unglück | Hubert Weinzierl ist seit 2000 Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), seit 2005 Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). © Rat für Nachhaltige Entwicklung | Kompass: Ihr Politikansatz baut auf die beiden Säulen der Nachhaltigkeit und der Schöpfungsverantwortung. Welche Erfahrungen konnten Sie bislang in Ihrem langjährigen Engagement machen, wenn Sie sowohl für Nachhaltigkeit als auch Schöpfungsverantwortung einstehen? Geht das auf?
Hubert Weinzierl: Ehrliche Nachhaltigkeit, also der sorgsame Umgang mit den natürlichen Gütern der Erde und deren Lebewesen, ist angewandte Schöpfungsverantwortung, welche den künftigen Generationen das gleiche Lebensrecht sichert wie uns. Nachhaltigkeit ist somit ein Schlüssel für zukünftige Friedenspolitik.
Nachhaltigkeit ist aber kein technisches, sondern eben ein ethisches Prinzip und kommt daher ohne eine humane Komponente ebenso wenig aus wie ohne das magische Geflecht von Ökologie, Ökonomie und Sozialem.
Wir können also feststellen, dass nicht alle Fehlentwicklungen in Wirtschaft, Beschäftigung, Bildung, Umwelt oder Kultur so einfach auf den Begriff „Finanzkrise“ abgeschoben werden können, sondern dass wir in einer tiefen Nachhaltigkeitskrise stecken: Zerreißt das Netzwerk des Lebens, dann bricht auch das soziale Netz und es zerfällt die Prosperität der Wirtschaft.
Kompass: Woran liegt es Ihrer Auffassung und Erfahrung nach, dass – trotz evidenter wissenschaftlicher Ergebnisse mit Blick auf Klimawandel, Ressourcenverbrauch und Naturraubbau unter den Bedingungen globalisierten Wirtschaftens – politische Entscheidungen nicht so recht greifen?
Hubert Weinzierl: Das liegt am Egoismus und der Gier derjenigen Staaten und Gesellschaften, die nur 20 % der Menschheit ausmachen, aber 80 % aller Vorräte dieser Welt verprassen.
Nachdem unsere Nationalökonomie aber auf Wachstum programmiert ist, gilt es Modelle des Gesundschrumpfens zu suchen. Es geht um eine Zukunft, die anders aussehen muss als die Gegenwart, eine Zukunft im Einklang mit der Natur, eine Zukunft mit globaler Verteilungsgerechtigkeit, mit soliden Wirtschaftsstrukturen und sicheren Arbeitsplätzen.
Deshalb muss Nachhaltigkeit zum Kompass der Wirtschaftspolitik werden. Das bedeutet auch, dass die Preise endlich ökologische Wahrheit sagen müssen: Derjenige, der die Umwelt belastet, soll auch dafür bezahlen müssen.
Kompass: Mit Blick auf die Rolle der Kirchen: Was ist in diesem Kontext Ihre Erwartung? Worin sehen Sie Chancen und Möglichkeiten für die Kirchen und ihre Gläubigen?
Hubert Weinzierl: Die Kirchen haben die Chance, ein weltfamiliäres Denken den Überlebenskrisen unserer Zeit entgegenzusetzen. Die christliche Religion der Liebe wäre doch eine wunderbare ganzheitliche Botschaft: Liebe deinen Nächsten und schließe dabei die Schöpfung mit ein!
Was ist das gute Leben in Zeiten der Krise? Ist nachhaltiger Konsum nur etwas für die fetten Jahre? Wie können wir umstellen auf ein Wohlstandsverhältnis, das nicht allein am materiellen Verbrauch orientiert ist? Wohlstand, der von einer Kultur der Umsicht geprägt ist, der den Menschen in einem fernen Land ebenso respektiert wie das ökologische Gleichgewicht im eigenen Lebensumfeld nach dem Motto „Gut leben statt viel haben“.
Betrachten wir diese wirre Zeit also nicht als Unglück, sondern als Chance für vielfältige neue Lebensqualitäten. Es ließe sich vielleicht eine neue Weltkonjunktur der Bescheidenheit ankurbeln, deren Kraft nicht am Bruttosozialprodukt gemessen wird, sondern im Glück der gesamten Menschenfamilie und am Fortbestand der Schöpfung zum Ausdruck kommt.
Das Interview führte Josef König.
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