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Zivil-militärische Zusammenarbeit ist im heutigen Zeitalter durch die sich gewandelte Gefahrenlage wichtiger als je zuvor.Zivil-militärische Zusammenarbeit: Was bedeutet das eigentlich? | Gemeinsam mit den einheimischen Bauarbeitern bauen die deutschen Soldaten ein Gebäude auf. | Seit einigen Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Sicherheit und Entwicklung in Krisengebieten einander bedingen, und somit eine nachhaltige Konflikttransformation durch rein militärische Mittel nicht möglich ist. Hieraus entwickelte sich die Anerkennung der Notwendigkeit zivil-militärischer Zusammenarbeit - auch zwischen der deutschen Bundeswehr und Akteuren aus Humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Chancen und Risiken, sowie konzeptionelle und praktische Probleme dieser Interaktion werden seitdem diskutiert.
Chancen
Eine besonders wichtige Rolle bei der Stabilisierung von Nachkriegsgesellschaften spielt erfahrungsgemäß die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von ehemaligen Kämpfern in die zivile Gesellschaft. Dieser Prozess ist unter dem Kürzel "DD&R" (Disarmament, Demobilization, Reintegration) bekannt, und es ist kein Zufall, dass alle drei Komponenten in einem Zusammenhang genannt werden, denn sie werden i. d. R. in dieser Reihenfolge implementiert und sind eng miteinander verknüpft. Erfolg, Teilerfolg, Misserfolg oder Verzögerung in einem der Bereiche wirkt sich somit auf die anderen aus. Für die Diskussion von zivil-militärischer Zusammenarbeit ist der Bereich DD&R interessant, denn während die Entwaffnung von Kämpfern stets durch Angehörige des Militärs geleistet wird, da diese im sicheren Umgang mit Waffen vertraut und geschult sind, werden Berufsausbildungen, Umschulungen oder Mikrokredite, die es den Kämpfern im Rahmen von Reintegrationsmaßnahmen anschließend erlauben sollen, im zivilen Leben eine Existenz aufzubauen, dann durch zivile Kräfte organisiert und umgesetzt. Eine verbesserte Kommunikation und Kooperation zwischen militärischen und zivilen Akteuren, die an der Durchführung von DD&R-Programmen beteiligt sind, erlaubt es, die Initiativen zur Entwaffnung, Demobilisierung und Regintegration effektiver miteinander zu verknüpfen und aufeinander abzustimmen. Grundsätzlich gesehen scheint der Nutzen von militärischen und zivilen Akteuren am Größten, wenn beide Akteure in ihrem jeweiligen Metier bleiben und so ihre komparativen Vorteile nutzen. In Ausnahmesituationen kann das Militär jedoch auch zivile Aufgaben gut übernehmen, wie z.B. im Anschluss an Naturkatastrophen wie dem Tsunami vom Dezember 2004, bzw. in akuten humanitären Notfällen. Hier kann das Militär meist direkter Nothilfe leisten als humanitäre Organisationen, da es schneller und einfacher Personal und Ressourcen auch in großem Stil mobilisieren kann, um z.B. Flüchtlingslager aufzubauen, Tote und Verletzte zu bergen sowie Lebensmittel zu verteilen, wie es z.B. in Aceh aber auch Thailand der Fall war. Außerdem kann sich das Militär auch selbst besser vor potentiellen Übergriffen schützen, wie z.B. in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten des post-Tsunami Sri Lankas. In diesen akuten Notfällen ist der Einsatz des Militärs auch im humanitären Bereich unproblematisch und hoch angesehen. Sobald aber zivile Hilfsorganisationen ihre Arbeit in diesen Ländern aufgenommen haben, sollte ein Transfer der Aufgaben vom Militär an humanitäre Organisationen stattfinden. Zivile Akteure arbeiten nicht nur kostengünstiger, sondern gewährleisten auch die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit, denn Ansätze für langfristige Entwicklungsarbeit sind in ihren Sofortnothilfeprojekten i. d. R. bereits angelegt, z. B. indem Hilfsorganisationen stärker mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten als Streitkräfte dies tun.
| Zivil-militärischer Wiederaufbau, CIMIC, in Bosnien-Herzegowina. Hauptmann Förderer (r.) und Hauptfeldwebel Müller registrieren den Grad der Zerstörung an einem instandzusetzenden Wohnblock mit 56 Wohneinheiten. | Risiken
Risiken im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit ergeben sich, wenn das Militär (als ein Akteur mit politischem Auftrag) auf eine Art und in einem Umfang humanitäre Hilfe leistet, dass die Grenze zu humanitären Organisationen (die nach dem Prinzip der Neutralität arbeiten) verwischt. Militärs und Nicht-Regierungsorganisationen bieten zunehmend dieselben Leistungen an und treten weder optisch noch räumlich getrennt voneinander auf, was eine Unterscheidung zwischen den "Parteiischen" und den "Unparteiischen" in den Augen der lokalen Bevölkerung erschweren kann. So steigt die Gefahr, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die Unparteilichkeit humanitärer Organisationen verliert und humanitäre Helfer in politische Auseinandersetzungen hineingezogen und zu potenziellen militärischen Angriffszielen werden, wie es z.B. in Afghanistan vermehrt der Fall war. So entstehen Dilemmata für humanitäre Hilfsorganisationen: zum einen besteht ihr Wunsch nach Neutralität, der eine Distanzierung vom Militär nahelegt; zum anderen sollen eigene Mitarbeiter und Konvois vor Übergriffen geschützt werden - wenn nötig auch durch militärisches Geleit. Im Falle Afghanistan lässt sich beobachten, dass sogenannte "Spoiler", wie z.B. die Taliban oder Al-Qaida, gegen alle westlichen "Besatzer" im Land vorgehen und nicht differenzieren zwischen denen, die aus humanitären, unpolitischen Motiven im Land arbeiten und sich vom Militär distanzieren, und denen, die eng mit den Streitkräften zusammenarbeiten. Die Distanzierung vom Militär und der Verzicht auf Geleitschutz führen im Falle Afghanistans nicht unbedingt zu mehr Sicherheit für die zivilen Helfer, ganz im Gegenteil. Im Jahr 2005 wurden 31 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen ermordet; 2004 waren es 24, darunter fünf Helfer von Médecins sans Frontieres (MSF). Die Organisation beschloss daraufhin, ihre Hilfsmaßnahmen in Afghanistan einzustellen.
Probleme
Probleme ergeben sich, wenn Streitkräfte Entwicklungs- und Wiederaufbauprojekte durchführen, obwohl zivile Stellen dies übernehmen könnten. Konzeptionell werden solche durch das Militär durchgeführten Projekte mit dem Argument der "force protection" begründet, was nichts anderes bedeutet als den Schutz der eigenen militärischen Truppen durch vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber der lokalen Bevölkerung, wie z.B. durch die Reparatur von Schulen oder Krankenhäusern, den Bau von Straßen und Brücke oder das Verteilen von Schulheften oder Nahrungsmitteln, denn soziale Leistungen erhöhen die Akzeptanz der Truppen bei der lokalen Bevölkerung und verringern damit die Gefahr von Anschlägen auf die Streitkräfte.
Die eigentliche Zielsetzung der Streitkräfte, nämlich die Erfüllung des militärischen Auftrags, führt dazu, dass die Truppen sich bei ihrer zivilen Arbeit verstärkt auf kurzfristige, sogenannte "Quick Impact Projects" mit geringem finanziellen Umfang und möglichst schneller Wirkung konzentrieren. Angesichts dieses Engagements der Streitkräfte in "ihrem" Metier sorgen sich nun Einrichtungen der Entwicklungs-Zusammenarbeit (EZ) um die Qualität der Entwicklungspolitik. Die militärischen Wiederaufbauprojekte mit dem Ziel der "force protection" sind nicht von den klassischen EZ-Prinzipien wie Langfristigkeit, Nachhaltigkeit und Local Ownership geprägt, sondern zielen auf schnelle Effekte. Nicht unproblematisch ist daher, dass die Streitkräfte für ihre zivilen Projekte teilweise auch Gelder in Konkurrenz zu Einrichtungen der EZ einwerben. Dies stößt auf starke Kritik, da dieses Einwerben dazu führt, dass das eh schon geringe Budget der zivilen Seite auf diese Weise "abgeschöpft" wird und dadurch die Gefahr steigt, dass langfristig angelegte Programme ziviler Akteure aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht zustande kommen, während das Militär eigene Gelder schont. Die Diskussion über die Chancen und Risiken der zivil-militärischen Beziehungen wird erschwert durch die Organisationskulturen und Mentalitäten beider Akteure, die doch sehr verschieden sind. Das Militär ist hierarchisch angelegt und steht damit im Gegensatz zu der häufig basisdemokratisch angelegten Organisationsstruktur ziviler Akteure. Der militärischen Gewaltanwendung steht auf ziviler Seite häufig Pazifismus gegenüber; militärische Arroganz trifft bisweilen auf moralisches Überlegenheitsgehabe von zivilen Akteuren. Um eine Zusammenarbeit zwischen beiden Akteuren zu erleichtern, muss von beiden Seiten der Perspektive der jeweils anderen ein größerer Respekt entgegengebracht werden.
Fazit
Zivil-militärische Zusammenarbeit ist im heutigen Zeitalter durch die sich gewandelt habende Gefahrenlage wichtiger als je zuvor, da sich Konflikte nicht rein militärisch lösen lassen. Um einander effektiv zu ergänzen, sollten sich Streitkräfte und zivile Helfer jedoch auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen konzentrieren. Das Militär muss den Wunsch mancher humanitärer Helfer nach Neutralität und Distanz vom Militär akzeptieren und darf Gelder für langfristig angelegte Projekte der zivilen Entwicklungszusammenarbeit nicht für kurzfristige Erfolge im Rahmen der "force protection" verwenden. Die zivile Seite muss andererseits anerkennen, dass "force protection" an sich ein legitimes Ziel ist und auch "Quick Impact Projects" der Streitkräfte daher ihren Sinn haben.
Quellenangabe
• Burghardt, Diana und Tobias Pietz. Handreichung: Themenbereiche und Konfliktfelder zivil-militärischer Beziehungen, http://www.bicc.de
• Hardegger, Sascha. 2003. Cimic-Doktrin im Spannungsfeld zwischen humanitärer Hilfe und militärischer Krisenintervention. ETH Zürich, Forschungsstelle für Internationale Beziehungen, Zentrum für Internationale Studien, Beiträge Nr. 41, http://ecollection. ethbib.ethz.ch
• Heinemann-Grüder, Andreas und Diana Burghardt. 2006. Zivilmilitärische Zusammenarbeit in Postkonfliktländern. Reader Sicherheitspolitik, www.readersipo.de
• International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies. The Principles of Conduct for The International Red Cross and Red Crescent Movement and NGOs in Disaster Response Programmes, www.ifrc.org
• VENRO. 2003. Streitkräfte als humanitäre Helfer? Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit von Hilfsorganisationen und Streitkräften in der humanitären Hilfe. VENRO-Positionspapier, www.venro.org
Christine Beeck, M.A.
Researcher
Bonn International Center for Conversion (BICC)
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