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Ressortübergreifendes Handeln unterstützt Bewusstseinsbildung bei allen Akteuren | Kompass im Gespräch mit Karin Kortmann (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung | Interview mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Karin Kortmann (SPD) zu Fragen der zivilen und militärischen Zusammenarbeit aus Sicht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Kompass: Entwicklungspolitik ist immer auch Sicherheits- und Friedenspolitik. Diese Feststellung findet sich im Jahresbericht 2005 Entwicklungspolitik aus Ihrem Hause. Worin unterscheiden und ergänzen sich Entwicklungspolitik und Sicherheitspolitik?
Staatssekretärin Karin Kortmann (MdB): Konfliktursachen sind vielfältig - schlechte Regierungsführung, Armut und soziale Ungerechtigkeit, Mangel an Ressourcen oder ungerechte Verteilung der Einnahmen, um nur einige zu nennen. Entwicklungspolitik verringert Armut und Ungleichheit, fördert Ansätze von Demokratisierung und verantwortungsvoller Regierungsführung und stärkt die Zivilgesellschaft. Ihre Maßnahmen und Instrumente setzen an den Wurzeln der Konflikte an oder eröffnen den Konfliktparteien Möglichkeiten, vor der Eskalation von Gewalt ihre Gegensätze im Rahmen anerkannter Institutionen und Verfahren gewaltlos auszutragen. Entwicklungspolitik trägt dazu bei, das vom ehemaligen VN-Generalsekretär Kofi Annan beim Milleniumsgipfel formulierte Ziel, Menschen ein Leben in "Freiheit vor Furcht" und "Freiheit vor Mangel" zu sichern. Oder kurz: Entwicklung zielt ab auf die Entfaltung von Chancen. In diesem Punkt unterscheidet sich der Beitrag von Entwicklungspolitik zur Sicherheitspolitik grundlegend von demjenigen der Streitkräfte. Bei Streitkräften steht der Einsatz staatlicher Gewalt zur Abwehr möglicher Bedrohungen im Vordergrund. Militär wirkt somit vorrangig gegen die Symptome von Konflikten, kann aber auch Freiraum für Entwicklungspolitik schaffen. Beide Arten von Maßnahmen ergänzen sich.
| Noch vor Jahren: Zivil-militärischer Wiederaufbau, CIMIC, in Bosnien - Herzegowina. Hauptmann Jürgen Förderer (links) und Hauptfeldwebel Ralf Müller nehmen die Schäden in einem zerstörten Hochhaus in Ilidza, einem Vorort von Sarajevo, auf. | Kompass: An dem Versuch, über den ressortübergreifenden Aktionsplan (2004) "Zivile Krisenprävention" neue Wege der Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung zu gehen, ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beteiligt. Wie beurteilen sie die darin formulierten unterschiedlichen Beiträge mit Blick auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit?
Kortmann: Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass kein Akteur alleine - weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene - über alle Strategien und Instrumente für eine umfassende Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung verfügt. Mit dem Aktionsplan führt die Bundesregierung alle verfügbaren Instrumente der Krisenprävention in einem einheitlichen Politikansatz zusammen. Verantwortlich für die Implementierung dieses Konzepts ist der Ressortkreis "Zivile Krisenprävention", dem alle Bundesministerien angehören. In dem vom Ressortkreis erarbeiteten "1. Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplanes" führt er unter dem Motto "Sicherheit und Stabilität durch Krisenprävention gemeinsam stärken" umfangreich aus, welche Schritte bereits erfolgreich unternommen wurden und nennt in einem Perspektivkapitel die Ziele der kommenden beiden Jahre. Positiv zu erwähnen ist, neben der reinen Umsetzung allgemeiner krisenpräventiver Maßnahmen, insbesondere die Verankerung des Primats der zivilen Krisenprävention. Auch ist der Ressortkreis dabei, das Zusammenspiel angemessener militärischer Stabilisierung und effektiver ziviler Konfliktbearbeitung näher auszuformulieren. Unterstützt wird dieser Prozess durch die Bewusstseinsbildung für ressortübergreifendes Handeln bei allen Akteuren. Anhand konkreter Projekte des Ressortkreises sowie seiner Arbeitsgruppen wird ressortgemeinsames Handeln eingeübt. Dies alles ermöglicht ein besser abgestimmtes Vorgehen in der Krisenprävention sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Wenn es uns zudem gelingt, den Bereich Krisenprävention personell und finanziell noch besser auszustatten, werden wir einen weiteren wichtigen Schritt nach vorne gehen können.
Kompass: Mit Blick auf die notwendige Differenzierung zwischen entwicklungspolitischer Zusammenarbeit einerseits und dem Auftrag deutscher Streitkräfte andererseits fällt auf, dass Streitkräfte in Krisen- und Konfliktregionen Aufgaben übernehmen, die keineswegs originäre Streitkräfteaufgaben sind. Haben Sie nicht Sorge, dass es zu einer zunehmenden Verwirrung von Aufgaben und Zuständigkeiten kommt?
| Zwei zerstörte Hochhäuser in Sarajevo. Im sechsten Stock des vorderen Hauses war noch vor zehn Jahren die deutsche Botschaft untergebracht. | Kortmann: Aufbauend auf den Erfahrungen auf dem Westlichen Balkan und der ersten Erfahrungen in Afghanistan hat sich eine gedeihliche Kooperation zwischen Streitkräften und zivilen staatlichen Akteuren entwickelt. Projekte an der zivil-militärischen Schnittstelle werden zunehmend von allen Akteuren gemeinsam, unter Einbeziehung der lokalen Verwaltungsstrukturen, geplant. Bei der Zusammenarbeit der Ressorts wird der Grundsatz "Gemeinsame Verantwortung, getrennte Verantwortlichkeiten" zu Recht bedacht. Diese Herangehensweise spiegelt sich unmittelbar in der Arbeit im Kontext der deutschen Provincial Reconstruction Teams (PRT) in Afghanistan wider. Vielen anderen Nationen gilt das deutsche PRT -Modell inzwischen als Vorbild. Im Übrigen gilt, dass Streitkräfte zum Schutz des humanitären Raumes von Nothilfemaßnahmen absehen, wenn ausreichend humanitäre Organisationen in einem Zielgebiet operieren, um den humanitären Bedarf abzudecken. Sollte eine militärische Beteiligung unerlässlich sein, werden militärische Maßnahmen zeitlich und räumlich begrenzt und die Aufgaben sobald wie möglich an zivile Organisationen und Einrichtungen übertragen. Von einer "Verwirrung von Aufgaben und Zuständigkeiten" kann nicht die Rede sein. Auch scheint mir, dass mancher, ob der medienwirksamen Bilder von gelungenen Infrastrukturprojekten, nicht wahrnimmt, dass diese Projekte nur einen kleinen Ausschnitt aus den von der Entwicklungs-Zusammenarbeit abgedeckten Themenfeldern widerspiegeln.
Entwicklungs-Zusammenarbeit wirkt über langfristig angelegte Projekte z.B. im Bereich Aufbau von Verwaltungsstrukturen, der Reform des Sicherheitssektors oder der Förderung von Rechtsstaatlichkeit auf die strukturellen Konfliktursachen ein. Hierdurch leistet sie in zahlreichen Partnerländern mit Unterstützung auch ihrer staatlichen Durchführungs-Organisation GTZ - und nicht nur in den wenigen Einsatzgebieten der Bundeswehr - einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung.
Kompass: Hinter dem Kürzel CIMIC verbirgt sich zivil-militärische Zusammenarbeit bei der Bundeswehr im Ausland. Sie ist Bestandteil der militärischen Operationsführung in den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang CIMIC grundsätzlich und welche Perspektive sehen Sie im Rahmen von CIMIC-Projekten für Ihr Ressort?
Kortmann: Auch wenn CIMIC-Maßnahmen der Bundeswehr nach eigenen Kriterien, wie z.B. der Verbesserung des Bildes der Truppe bei der Bevölkerung, durchgeführt werden, so sind doch bei deren Umsetzung auch allgemeine entwicklungspolitische Grundsätze zu berücksichtigen. So hat die Bundeswehr inzwischen erkannt, dass die Berücksichtigung von lokaler Eigenverantwortung (local ownership) und konfliktsensiblem Projektmanagement (do no harm) entscheidend für die Nachhaltigkeit der Maßnahmen ist. Dem jeweiligen Kommandeur stehen ausgebildete CIMIC- Fachkräfte beratend zur Seite. CIMIC kann so als der militärische Beitrag im ressortübergreifenden Vorgehen zur Erreichung der gesamtpolitischen Ziele gesehen werden. Dabei ist es erforderlich, die Zusammenarbeit insbesondere des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung frühzeitig, möglichst bereits vor Einsatzbeginn, aufzunehmen. Im Bereich der CIMIC-Ausbildung findet eine solche Zusammenarbeit bereits heute, z.B. an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Bad Neuenahr-Ahrweiler, statt. Unterschiedliche Handlungslogiken und unterschiedliche Beweggründe stellen keinen Gegensatz dar, sondern können zu synergetischen Zugewinnen führen. Seine Grenzen sollte der Einsatz von Streitkräften im Bereich Humanitäre Hilfe und Wiederaufbau dort finden, wo zivile Organisationen bereits helfend zur Verfügung stehen.
Das Interview führte Josef König
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