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Robert Spaemann: Der letzte Gottesbeweis

Robert Spaemann: Der letzte Gottesbeweis, Pattloch 2007, 128 Seiten, 12,95 Euro, ISBN: 978-3-629-02178-6
"Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden." Ein Satz Voltaires, der uns sehr fern ist. Denn der Gottesgewissheit früherer Zeiten wich bald die Auffassung von Gottes Nichterkennbarkeit. Heute hält man die Frage nach Gott nicht selten schlicht für sinnlos.

Frühere Jahrhunderte sahen das anders. Von Platon und Aristoteles, über Augustinus und Thomas bis hin zu Descartes und Hegel reicht die Kette der Denker, die die Annahme der Existenz Gottes für eine denkerische Notwendigkeit hielten. Besonders berühmt ge-worden sind die fünf Wege des Thomas von Aquin. Grundstruktur dieser Beweisgänge ist es, ursächliche Verhältnisse aufzudecken, an deren Anfang Gott steht. Der zweite Weg etwa geht von der unstrittigen Annahme des Verursachtseins aller Dinge aus. Aus Nichts wird nichts. Nun ist aber etwas. Also muss es aufgrund von etwas geworden sein. Dies kann auf dreierlei Weise erklärt werden: Entweder verursachen sich die Dinge selbst. Dies aber ist nicht denkbar, weil ja dann bereits existieren müsste, was doch erst verursacht werden muss. Es wäre also nichts erklärt. Die zweite Möglichkeit wäre der Rückgang ins Unendliche. Man nimmt einfach für jede Ursache eine weitere an und immer so fort bis ins Unendliche. Das Problem ist nur, dass man dann nie in der Gegenwart ankommen würde. Demnach dürfte jetzt gar nichts existieren. Was offensichtlich falsch ist. Die dritte Möglichkeit ist die Annahme einer ersten Ursache, die als solche selbst unverursacht sein müsste. Und diese nennen alle Gott.

Heute erwecken derartige Argumentationen allenfalls noch historisches Interesse. Seit Kant gilt es als ausgemacht, dass Gottes Dasein nicht bewiesen werden kann. Denn Existenzaussagen sind nach Kant nur sinnvoll in Bezug auf Gegenstände der Erfahrung. In dieser kommt Gott aber nicht vor. Mit Nietzsche wurde den Gottesbeweisen dann ganz der Boden entzogen. Deren Voraussetzung war stets das Vertrauen in die Kraft der menschlichen Vernunft und die Erkennbarkeit der Welt. Nietzsche bestritt beides.

Und doch hat jetzt einer der renommiertesten zeitgenössischen Philosophen einen neuen Anlauf unternommen, Gott mit Hilfe des Denkens zu erreichen. Mit seinem im Jahr 2006 gehaltenen Vortrag hat Robert Spaemann international Aufsehen erregt. Kernthese ist die folgende: Alle Tatsachenwahrheiten sind ewige Wahrheiten. Weiter ist jede Gegenwart die Vergangenheit einer künftigen Gegenwart. Die Eigenart dieser ewigen Wahrheiten besteht weder in einer Wirkung noch im Erinnertwerden, sondern im Gewusstwerden. Es ist somit einem absoluten Bewusstsein, also Gott, gegenwärtig. Das Neue dieses Beweises ist die Bezugnahme auf die Grammatik. Das Futur 2 ist untrennbar mit der Gegenwart verbunden. Denn etwas als gegenwärtig zu behaupten, beinhaltet zu sagen, es wird gewesen sein. Irgendwann aber wird es keine Menschen mehr geben, die dies behaupten können. Damit verschwindet auch die Möglichkeit des Gewusstwerdens. Unsere Sätze hätten in ihrem Wahrheitsanspruch aber dann schon jetzt keinen Sinn mehr. Damit sie also jetzt gelten, muss es ein Bewusstsein geben, das ihre Richtigkeit jetzt und immer garantiert, indem es sie weiß: Gott.

Etwas pompös klingt der Titel, den der Pattloch-Verlag dem Buch gegeben hat. Falsch aber ist er nicht. Nach diesem Beweis kann logisch nichts mehr kommen. Denn an ihn grenzt denkerisch nichts als der Abgrund des Sinnlosen. Ein sehr herausforderndes Bändchen also. Die Sprache ist indes an keiner Stelle verquast. Spaemanns Texte gehören sicher zum lesbarsten, was Philosophen zurzeit schreiben. Die Schwierigkeit liegt oft schlicht in der Komplexität des Gegenstands. Den besser zu erfassen hilft ein meisterlicher Kommentar des Regensburger Philosophen Rolf Schönberger über die Geschichte und Argumentationskraft der traditionellen Gottesbeweise.

Fazit: Unbedingt kaufen!

Oliver Maksan