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Franz StockTeil 2: Ein Seelsorger verzehrt sich zwischen den Fronten | | Fortsetzung aus Kompass. Soldat in Welt und Kirche 12/07, S. 14-15:
Nach zwei ersten Seelsorgejahren in Dortmund fragte der Kölner Kardinal Schulte 1934 Franz Stock, ob er nicht Rektor der deutschen Gemeinde in Paris werden könnte. Zu dieser Zeit war das bereits keine leichte Mission. Dieser Priester musste die französische Sprache beherrschen, die Mentalität der Menschen kennen und zugleich das Vertrauen des Pariser Erzbischofs gewinnen können.
Vor dem 1. Weltkrieg waren 20.000 Deutsche in Paris zu betreuen, aber der Krieg zerschlug das blühende Gemeindeleben und die angegliederte Caritasarbeit. 500 Seelen gehörten bei Stocks Amtsantritt noch zur deutschen Bonifatius- Gemeinde in der Rue Lhomond 21/23 im Quartier Latin, unweit des Pantheons, unter ihnen Hausangestellte, Kindergärtnerinnen, Säuglingsschwestern und etliche Familien. Etwa 400 Personen wurden aus der Gemeindekasse unterstützt, in der Regel deutsche Mädchen auf Stellensuche in Haushalten. Auch die Pflege des Deutschtums gehörte zum Programm der Gemeinde, und Stock schrieb als Pfarrer nebenbei für Zeitungen sowie seine beiden Bücher über die ersten deutschen Buchdrucker in Paris und "Die Bretagne - ein Erlebnis". Außerdem veröffentlichte er 1937 die Schrift "100 Jahre deutsche Seelsorge in Paris" und fand noch Zeit für sein Hobby des Malens und Zeichnens.
| Gerhard Sander, Bistumsarchivar in
Paderborn, mit dem Tagebuch von
Abbé Franz Stock | Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland im März 1934, der Saar- Abstimmung im Januar 1935 und der Rheinland- Besetzung im März 1936 bahnte sich erneut eine Verschlechterung des deutsch- französischen Verhältnisses an. Stock sollte seine nationale Gesinnung beweisen und zugleich in Frankreichs Hauptstadt wirken, die mit der Weltausstellung 1937 noch einmal einen großen Aufschwung erlebte und Hoffnung auf Verständigung weckte.
Aber im August 1939 mussten er, seine Schwester Franziska und seine Sekretärin Paris verlassen. Als Pfarrer in Dortmund dachte Stock nach Ausbruch des 2. Weltkriegs daran, demnächst französische Kriegsgefangene zu betreuen. Als er 1940 die Deutschenseelsorge in Amsterdam übernehmen sollte, vereitelte der Angriff der Deutschen auf Holland und Belgien diesen Plan. Nach dem nur sechswöchigen Frankreichfeldzug und der Besetzung Frankreichs fand er sich bereits Ende 1940 wieder in Paris und ab März 1941 in seinem alten Dienstsitz. Recht bald war er in seiner schwarzen Soutane der einzige Zivilist unter lauter Uniformierten in Paris. Nach de Gaulles Aufruf zum Widerstand gegen die Vichy- Regierung im Juni 1940 sah sich Franz Stock in der Verpflichtung, französische Häftlinge in den Gefängnissen zu besuchen und seelsorglich zu betreuen. Die Anfänge dieses Priesterdienstes sind nicht genau geklärt. Stock war zuerst Seelsorger und lebte sein Priestersein konsequent.
Zeitgleich wurde er zum deutschen Standortpfarrer im Nebenamt in Paris ernannt, mit Wehrmachts- Gottesdiensten und Lazarett- Seelsorge. Während der Besatzungszeit sollen ca. 11.000 Franzosen inhaftiert gewesen sein. Das größte Gefängnis Fresnes besaß 1.500 Zellen, die mit fünf bis sechs Menschen belegt waren, ein Ort unsäglichen Grauens, auch "Vorzimmer des Todes" und "Filiale der Hölle" genannt. In seiner vorbehaltlosen Zuwendung zu den Inhaftierten, ungeachtet ihrer politischen oder religiösen Überzeugung, hat Franz Stock hier viel von der grenzenlosen Liebe Gottes offenbart und als Deutscher mitten im Krieg Versöhnung gestiftet. Auch als zunehmend Widerstandskämpfer und Geiseln auf dem Mont Valérien hingerichtet wurden, ging er mit ihnen. Es wurden für ihn "vier Jahre Golgotha".
| Kapelle auf dem Mont Valérien.
Teilweise verbrachten die Opfer hier
ihre letzten Minuten und wurden
von Franz Stock betreut. Im Vordergrund
Pfähle von der Erschießungsstelle
und leere Särge | Über gut zweieinhalb Jahre seiner besonderen Seelsorgearbeit gibt ein 82-seitiges Tagebuch Auskunft, das heute im Erzbischöflichen Archiv in Paderborn aufbewahrt wird. Hier hatte Stock, um dessen eigene Gesundheit es nicht gut bestellt war, letzte Verfügungen der ungezählten Todeskandidaten vermerkt und das eigentlich Unaussprechliche nüchtern notiert. Als er nach dem Einmarsch der Amerikaner selbst Kriegsgefangener war, erinnerte er sich: "Ich bin der einzige Priester in Europa, der so viele Hinrichtungen hat miterleben müssen."
Ungebrochen schien seine Verbundenheit mit Frankreich, und so erreichte ihn schon bald der außergewöhnliche Auftrag, Rektor eines Priesterseminars zu werden, das kriegsgefangenen deutschen Theologiestudenten "hinter Stacheldraht" die Fortsetzung ihres Studiums ermöglichen sollte. Niemand schien für diese heikle Aufgabe geeigneter zu sein als Franz Stock.
Fortsetzung folgt ...
P. Robert Jauch OFM, Jerusalem
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