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Hilfe zur Selbsthilfe

von Reinhold Robbe

Im Dienstzimmer meines Amtes in Berlin habe ich schon viele Gespräche geführt, unzählige scheint es mir fast mit Blick auf die zurückliegenden knapp drei Jahre. Mal mit führenden Mitgliedern eines Verbandes, mal mit Vertretern einer Interessengruppe, oft mit Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Neben meinen Hauptaufgaben, der Durchführung von Truppenbesuchen und der Bearbeitung von Eingaben, gehören solche Gesprächstermine - wenn man so will - zum "Tagesgeschäft". Vor kurzem aber saßen mir zwei berufserfahrene Männer gegenüber, zwei Soldaten des Heeres: ein Hauptfeldwebel und ein Hauptmann.

Der Hauptfeldwebel wendet sich mir plötzlich in meiner Muttersprache zu. Auf plattdeutsch übermittelt er Grüße von gemeinsamen Bekannten aus der ostfriesischen Heimat. Unser Thema allerdings ist ein ganz anderes, ein sehr viel ernsteres zudem. Was die beiden Kameraden nämlich verbindet, ist ein Schicksal, das sie mit vielen Menschen in unserem Lande teilen. Sie sind irgendwann der Alkoholsucht verfallen. Heute sprechen sie mit größter Unbefangenheit über ihre Krankheit. Ebenso selbstverständlich bezeichnen sie sich als "trockene Alkoholiker". Sie stehen zu ihrer Krankheit - und sie haben für sich einen Weg gefunden, die Alkoholsucht erfolgreich zu bekämpfen.

Die beiden Soldaten berichten mir in aller Offenheit von ihrem persönlichen Lebensweg. Sie schildern eindrucksvoll, wie sie vom Alkohol abhängig wurden und sich dann gerade noch rechtzeitig aus dieser Notsituation befreien konnten. Sie machen kein Aufhebens darum. Sie erzählen von ihrem Weg in die Alkoholabhängigkeit, um mir deutlich zu machen, dass sie wissen, wovon sie reden. Denn es geht in unserem Gespräch um Selbsthilfe. Die beiden Soldaten wollen mit ihrem Verein "Soldatenselbsthilfe gegen Sucht e. V." betroffenen Kameradinnen und Kameraden Hilfestellung geben, ebenfalls von der Sucht loszukommen. Sie berichten mir anonymisiert auch von Einzelschicksalen, die sie seit Bestehen des Vereins betreuen. Nicht selten sind es die Partner der Kameraden, die sich mit dem Selbsthilfeverein in Verbindung setzen, weil sie als Angehörige keinen anderen Ausweg mehr sehen.

Mit am schwierigsten sei es für die betroffenen Soldaten, sich selbst die Abhängigkeit einzugestehen. Meine Gesprächspartner berichten davon, dass das Abgleiten in die Alkoholsucht in fast allen Fällen unmittelbare Auswirkungen auf die Partnerschaft, die Familie oder auf die finanzielle Situation des Suchtkranken hat. Hier werde dann eine professionelle Begleitung durch Sozialberater und Psychologen notwendig. Ebenso wichtig sei aber auch die kameradschaftliche Unterstützung durch die jeweiligen Dienstvorgesetzten. Die beiden Repräsentanten sprechen erfreut über die "ausgezeichnete Kooperation" mit den zuständigen Stellen der militärischen Führung. Aber auch der Bundeswehrverband und die Militärseelsorge seien wichtige Partner bei der Hilfe für die betroffenen Kameradinnen und Kameraden.

Ich bin tief beeindruckt von der segensreichen Arbeit dieser nicht sehr großen, aber außerordentlich wirkungsvollen Initiative. Diese Soldatenselbsthilfe, eine direkte Unterstützung von Kamerad zu Kamerad, darf sich sehen lassen.