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Schuld

Privatdozent Dr. Volker Stümke, Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
Schuld als elementare Erfahrung

Das Wort Schuld umschreibt in ethischer Perspektive eine elementare Erfahrung, die weiterhin umlagert ist von Fragen, welche die Lehre vom guten Handeln überschreiten hin zum gelebten Glauben. Zunächst meint Schuld das Zurückbleiben hinter einer Vorgabe und kann äußerlich auf finanzielle und rechtliche Sachverhalte bezogen werden: Man kann eine Rechnung nicht bezahlen oder einen Unfall verursachen. Um solche Schuld rechtlich festzuhalten, muss die Tat dem Handelnden zugerechnet werden (den Beifahrer trifft keine Schuld), er muss zurechnungsfähig (bspw. alt genug) sein und ihm muss zugemutet werden, dass er sie hätte unterlassen (bspw. langsamer fahren) können. Solche äußerliche Schuld sollte beglichen werden - direkt (man zahlt die Reparaturkosten) oder durch Ersatzleistungen (bspw. Schmerzensgeld). Sofern die Gesellschaft von den Folgen betroffen ist, kann sie bei der Wiedergutmachung einbezogen werden (bspw. durch eine Geldstrafe für eine wohltätige Organisation).

Der Ruf des Gewissens

Schuld hat auch eine Innenseite. Das gilt schon im Bereich des Rechts, weil manche Verstöße gezielt begangen werden, so dass nicht nur die Tat, sondern auch die Absicht bei der Bestrafung berücksichtigt wird. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen rechtlicher Bewertung und persönlicher Erfahrung: Ich fühle mich nicht schuldig, obwohl ich etwas Verbotenes getan habe (bspw. ziviler Ungehorsam), umgekehrt weiß ich mich schuldig, obwohl mich kein Gericht bestrafen wird (bspw. eine Lüge). Die entsprechende innere Instanz ist das Gewissen, es kann mich anklagen und verurteilen, aber auch lossprechen. Dabei richtet sich das Gewissen nach Normen, die mit den Rechtsbüchern des Staates nicht übereinstimmen müssen. Darum kann es machtvoller sein als das rechtliche Urteil: Objektiv mag sich das Gewissen irren, aber subjektiv steht die Schuld unmittelbar vor Augen und bindet mich.

Schuld ruft Fragen hervor

Vor allem um diese persönliche Erfahrung von Schuld ranken sich eine Reihe wichtiger Fragen. Zunächst ist der Maßstab meines Gewissens zu analysieren: Sowohl Erziehung wie Gesellschaft beeinflussen meine Bewertung, doch auch Gebote Gottes und vernünftige Einsichten prägen mein Gewissen - und wie sich diese Instanzen zueinander verhalten, ist nicht exakt zu bestimmen. Aber dass falsche Gesetze hier (persönlich wie politisch) Unheil anrichten können, ist jedem klar. Darüber hinaus ist nach der Wurzel meiner Schuld zu fragen: Resultiert schuldhaftes Handeln aus kultureller Prägung, Unwissenheit, Uneinsichtigkeit oder gar Bosheit? Schließlich ist der Umgang mit der eigenen Schuld zu erörtern: Muss ich lernen, mit Unvollkommenheiten zu leben (mich so zu akzeptieren), kann ich selbst mich entschuldigen (Nachsichtigkeit einfordern) oder bin ich auf das Urteil anderer - auf Strafe oder Vergebung - angewiesen?

Das christliche Verständnis der Schuld

Dass diese Fragen nicht exakt beantwortet werden können, hängt zum einen daran, dass wir hier zurückgreifen auf das Menschenbild - und davon gibt es unterschiedliche. Zum anderen sind wir nicht "objektiv", sondern selbst in Schulderfahrungen verwoben. An dieser Stelle behauptet der christliche Glaube, dass die eigentliche Wurzel der Schuld in der Sünde des Menschen liegt. Sünde ist gegen Gott gerichtet, ihr grundlegendes Kennzeichen ist (nach Martin Luther) die Selbstbezogenheit des Menschen, der in seinem Hochmut selbst Gott sein und alles bestimmen, sich also nichts von Gott sagen lassen will. Genau diese Selbstbezogenheit führt dazu, meine Verwurzelung in der Sünde zu leugnen - was für ein Gott wäre ich sonst? Erst die Vergebung der Sünde, für die Jesus Christus einsteht und die uns konkret zugesagt wird in Wort und Sakrament, eröffnet die tiefe Einsicht in meine Sünde und Schuld, die mein Gewissen mir nur angedeutet hat. Und aus ihr resultiert eine doppelte ethische Haltung im Umgang mit der Schuld, die im Vaterunser auf den Punkt gebracht wird: Die Bitte um die Vergebung der eigenen Schuld sowie die Bereitschaft, meinerseits Schuld zu vergeben. In beidem wird ein Mensch erkennbar, der sich nicht mehr als Gott versteht und sich auch nicht gegenüber seinen Nächsten so aufspielt.