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Wallfahrtsplakate im Wandel der vergangenen 50 Jahre

Jede Epoche, jede Zeit ist geprägt durch ihren eigenen Stil. Die Formensprache etwa des „Nierentisches“ lässt an die 1950er Jahre denken, oder das Kunststoffmobiliar in reinen, kräftigen Farben verbindet man mit den 60er und 70er Jahren.

Stellt man sich die Galerie der Plakate, die während der vergangenen 50 Jahre für die Internationale Soldatenwallfahrt warben, vor Augen, erkennt man auch hier deutlich den Wandel in Stil und Motivwahl. Aus der Sammlung an Lourdesplakaten im Archiv des Katholischen Militärbischofs werden nachfolgend drei Beispiele herausgegriffen, die den Stilwandel in der 50-jährigen Geschichte der Internationalen Soldatenwallfahrt sichtbar machen.

Zur ersten Internationalen Soldatenwallfahrt in die Pyrenäen warb die französische Militärseelsorge mit einer grafischen Farblithographie des zentralen Lourdes-Motivs. Mit wenigen Elementen und in reduzierter Formensprache wird das Wunder von Lourdes dargestellt. Aus schwarzem Grundton des Plakates strahlt dem Betrachter die weiße Mariengestalt als schlanke Figur ohne Plastizität entgegen, die in einer aus elliptischen Formen in verschiedenen Blautönen stilisierten Wolke schwebt. Die sphärisch hervortretende Erscheinung nimmt fast zwei Drittel des Plakates ein. Rechts davor kniet das Mädchen Bernadette. Sie wird mit breiten schwarzen Linien konturiert. Die dadurch entstehenden Binnenflächen der Figur sind mit kräftigen Grün-, Rot- und Rosatönen marmorisierend ausgefüllt, wobei in der Gesichtsfläche und auf den Armen ein helles Blau den Widerschein des sphärischen Lichtes der Marienerscheinung andeutet. Der Schriftzug des Titels „1958 – Centenaire de Lourdes“ benennt das 100. Jubiläum der Marienerscheinungen. Er steht vergleichbar einem Fundament zweizeilig unter diesem Lourdes-Motiv. Auf Grund der Eindeutigkeit des Bildmotives ist der Bildtitel in Grau gesetzt worden und tritt damit optisch leicht zurück.

Der Künstler dieses Plakats war der in Paris geborene Grafiker Jean Colin (1912–1982), dessen künstlerisch meisterhafte Plakate heute mehrere hundert Euro wert sind.

Seit den 1960er Jahren wurden die Werbeplakate für die Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes für mehrere Nationen zusammen mit dem Plakat für die deutsche Katholische Militärseelsorge gedruckt. Herausgeber war das damals noch in Bonn angesiedelte Katholische Militärbischofsamt. Im Jahr 1962 konnte der Grafiker Jupp Palm, der bereits am Katholischen Soldatengesangbuch mitgewirkt hatte, für die Gestaltung des Plakates gewonnen werden. Sein realisierter Entwurf von 1962, der die Kathedrale und die Pilgerschar als Motiv wählte, diente auch in den Jahren 1963 und 1964 zur Werbung für die Internationale Soldatenwallfahrt. Eine leichte Modifikation fand das Plakat allein durch die Ergänzung weiterer Nationalflaggensymbole.

Auf Wunsch der Vorbereitungskonferenz für die Wallfahrt erfuhr auch das Plakat von 1974 eine Neuauflage im Jahr 1976. Es setzte in seiner Gestaltung weniger auf religiöse Symbolik bzw. die Wiedergabe des Lourdes-Wunders als auf die realitätsbezogene Umsetzung des Wallfahrtsgeschehens. Die Signalwirkung der leuchtend orangen Grundierung des Plakates kontrastiert mit der gedämpften Wirkung der Schwarz-Weiß-Fotografie einer Pilgergruppe, bestehend aus singenden Soldaten aus verschiedenen Nationen, die das untere Drittel der Plakatfläche einnimmt. Korrespondierend mit dem breiten schwarz-grauen unteren Abschluss bildet der kräftig schwarze Schriftzug „Internationale Soldatenwallfahrt“ die obere Begrenzung. Darunter wird der weiße Schriftzug „Lourdes“ zwischen zwei Bändern von Piktogrammen der Flaggen beteiligter Nationen gesetzt. In der mittleren Bildebene erscheint sozusagen als Hintergrundfolie der Negativdruck der Kathedralansicht. Der Grafiker dieses Plakates ist nicht bekannt. Gedruckt wurde es bei city-druck Leopold in Bonn.

In den Jahren 2001 bis 2006 wurden die Motivvorlagen für die vom Katholischen Militärbischofsamt herausgegebenen Plakate von einem Mitarbeiter in der Katholischen Militärseelsorge geschaffen, dem Pfarrhelfer Ralf Meißner aus Schneeberg (mit einer Ausnahme im Jahre 2003). Die in leuchtenden Farben und in prismenartig gebrochener Gestaltung gemalten Motive – meist die Kathedrale von Lourdes in mehr oder weniger verfremdeter Form – wurden nicht nur bei der Gestaltung der Plakate, die für die Internationale Soldatenwallfahrt werben sollten, verwendet, sondern schmückten auch den Titeleinband der Pilgerhefte.

Im Jahre 2004 wurde eines dieser Meißner-Bilder, in dem die Kathedrale von Lourdes ein Höchstmaß an Abstraktion erfährt, durch Fotomontage ergänzt. Es greift diesmal mit Hilfe moderner Digitaltechnik wieder – wie im Jahre 1958 – das Motiv des Mädchens vor der Gottesmutter Maria auf. Die in der oberen Bildhälfte vor allem in den Grundfarben ausgeführte Malerei deutet durch kubische Formen und spitze Winkel die Kathedrale von Lourdes an. Darunter wird in Loslösung vom streng Linearen durch eine große grau-schwarze Fläche die Grotte angedeutet. Vor dieser Grotte ist ein Farbfoto von einem Kind eingefügt, das mit angezogenen Beinen auf dem Boden sitzt, die Arme um die Knie gelegt und die gegeneinander gelegten Handflächen vor seinen Mund geführt hat. So auch in der Gestik und Haltung ganz konzentriert, hat es seinen Blick nach oben gerichtet zu der ebenfalls als fotografische Wiedergabe eingefügten Lourdes-Madonna. Auch um dieses Foto herum ist die Maltechnik gelöst von linear begrenzter Flächigkeit zugunsten freier lebhafter Pinselführung. Die leuchtend gelbe Fläche eines spitz nach oben zulaufenden Dreiecks von roten Flächen durchzogen steht wie ein sphärischer Lichtkegel zwischen Kind und Marienfigur und scheint auf dem gelben Schriftzug „Lourdes“ zu stehen.

Seit 2007 bilden Fotoaufnahmen allein die Grundlage für die Werbeplakatgestaltung. Die Motivwahl hat sich in den vergangenen 50 Jahren vom anfänglich gewählten religiösen Inhalt auf die Darstellung des Ortes und des Geschehens der Soldatenwallfahrt verlagert.

Dr. Monica Sinderhauf