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Tapferkeit | Lothar Bendel,
LWissDir i. K.,
Referatsleiter
im Katholischen
Militärbischofsamt | Die Tapferkeit (lat.: fortitudo) gehört zu jenen Kardinaltugenden der Gerechtigkeit, der Klugheit, des Maßes, denen in den antiken und mittelalterlichen Ethikkonzeptionen eine konstitutive Bedeutung zukommt. Obwohl die Rede von Tugenden vielen Zeitgenossen vormodern erscheinen mag, Tapferkeit im Besonderen als militaristisches Relikt angesehen wird, das in einer postheroischen Gesellschaft ortlos ist, sind diese Tugenden unverzichtbar. Sie sind Haltungen und Handlungsdispositionen (Habitus), die richtiges und moralisch gebotenes Handeln in Situationen sicherstellen, in denen affektive und emotionale Hindernisse bestehen.
Das Wissen um das moralisch richtige Handeln führt nämlich nicht automatisch zur richtigen Handlung. Zwischen Einsicht und Handeln stehen unsere Neigungen, Ängste, Interessen und Leidenschaften. Tugenden werden deshalb als Korrektive der menschlichen Natur (Ph. Foot) bezeichnet, die sich auf Motivationsmängel und affektive Handlungshindernisse beziehen. I. Kant nennt die Tugenden die "moralische Gesinnung im Kampfe", d. h. die standhafte und feste Gesinnung, die auch entgegengesetzten Neigungen nicht nachgibt. Der Erwerb von Tugenden formt den Charakter, so dass der Mensch kein bloßer Spielball seiner Affekte ist, der nur zufällig und von Zeit zu Zeit richtig handelt.
Feigheit - Tapferkeit - Tollkühnheit
Der anthropologische Grund der Tapferkeit ist die Verletzlichkeit und Verwundbarkeit (J. Pieper) des Menschen. Er weiß sich als ein Wesen, dem Schäden und Übel zugefügt werden können, die seinem Streben nach einem Gelingen des Lebens zuwiderlaufen. Tapfer heißen diejenigen, die ihre Handlungsziele trotz des Wissens um drohende Übel, im äußersten die Todesdrohung, verfolgen. Tapferkeit hat deshalb immer mit der Beherrschung von Furcht zu tun. Die aristotelische Definition der Tapferkeit als ein mittleres - nicht mittelmäßiges (!) - zwischen zwei Affekten, nämlich der Furcht und der Tollkühnheit, hat sich in der ethischen Diskussion weitestgehend durchgesetzt. Was unterscheidet nun aber Tapferkeit und Tollkühnheit? Für P. Knauer (Handlungsnetze. Über das Grundprinzip der Ethik, S. 25) gehört zur Tapferkeit die Vorsicht unabdingbar hinzu, die der Tollkühnheit gerade fehlt. Vorsicht ohne Tapferkeit ist hingegen nur Feigheit. Tapferkeit verweist daher auch auf die Tugend der Klugheit, welche die Situationen erkennt und bewertet, in denen eine tapfere Haltung erforderlich ist. "Tapferkeit ohne Klugheit ist keine Tapferkeit."
(J. Pieper)
Tapferkeit und Moralität
Tapferkeit ermöglicht moralisches Handeln, aber die Tapferkeit einer Handlung begründet nicht deren Moralität. Auch Räuberbanden bedürfen nämlich in bestimmten Situationen der Tapferkeit ihrer Mitglieder zur Erreichung ihrer Ziele. Ohne Bezug auf moralische Prinzipien und Werte ist tapferes Handeln ein formales Vermögen zur effektiven Verfolgung von Zwecken, das jedoch beliebig für verbrecherische Zwecke instrumentalisierbar ist. Die Geschichte zeigt uns viele Beispiele missbrauchter Tapferkeit. "Ohne die ‚gerechte Sache' gibt es keine Tapferkeit." (J. Pieper) Tapferkeit ist ein Thema der Ethik, weil sie keine angeborene Eigenschaft des Menschen ist, sondern erworben werden muss. Für Aristoteles geschieht dies durch andauernde Praxis und Übung. Tapfer wird man mithin, indem man tapfer handelt. Erziehung zur Tapferkeit geschieht in der Teilhabe an einer gemeinsamen Praxis, in der die Bewältigung kritischer Situationen und Krisen tapferes Handeln verlangt.
Tapferkeit als sittliche Grundhaltung ist ein unverzichtbarer Grundbegriff einer soldatischen Berufsethik, gleichwohl ist das militärische Handeln nicht der ausschließliche Ort, wo Tapferkeit bedeutsam und erforderlich ist. Auch im bürgerschaftlichen Engagement für das Gemeinwohl kann auf Tapferkeit (Zivilcourage) nicht verzichtet werden, da der Einspruch gegen Unrecht und die Verteidigung des Rechtes auch unter Inkaufnahme von Nachteilen moralische Pflicht sein kann.
Lesetipp:
Josef Pieper: Vom Sinn der Tapferkeit,
in: Werke, Band 4, Hamburg 1996, S. 113-136
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