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"Gott schütze dich"

von Reinhold Robbe

Die Kreuzkirche in Zweibrücken ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Wieder einmal haben sich die führenden Repräsentanten unserer Bundeswehr zu einem Trauergottesdienst für einen gefallenen Soldaten zusammengefunden. Minister, Generalinspekteur, Abgeordnete, Wehrbeauftragter und viele Kameraden sind gekommen.

Mischa M. fiel einem hinterhältigen Bombenanschlag zum Opfer. Er hatte das Leben noch vor sich. Ein großes Foto zeigt den fröhlich dreinblickenden Hauptfeldwebel. Links und rechts vom Sarg bilden Kameraden des Gefallenen ein Ehrenspalier. Der Pfarrer versucht, den Familienangehörigen Trost zu spenden.

Zuletzt spricht der Oberbürgermeister. Er berichtet, wie intensiv in Zweibrücken die Beziehungen zwischen der Stadt und den dort stationierten Soldatinnen und Soldaten sind. Er schildert sehr eindrucksvoll, wie die Soldaten im Rathaus verabschiedet werden, bevor sie in den Einsatz gehen. Er sagt, dass die Bürgerinnen und Bürger Zweibrückens mit den Angehörigen trauern. Und dann kommt der Oberbürgermeister in seiner Trauerrede auf den Sinn des Einsatzes in Afghanistan zu sprechen. Mit deutlichen Worten spricht er aus, was oftmals unerwähnt bleibt. Die deutschen Soldaten, so der Bürgermeister, würden ihren gefährlichen Dienst nicht ohne Grund am Hindukusch versehen. Sie kämpften vielmehr im Auftrag ihres Landes gegen die Drahtzieher des internationalen Terrors. Und dieser Terror bedrohe auch Deutschland.

Auch ich hatte in Zweibrücken den Eindruck, dass die ganze Stadt um den gefallenen Hauptfeldwebel trauert. Diese besondere Verbundenheit und die große öffentliche Anteilnahme helfen ganz sicher auch den Angehörigen, mit dem unbeschreiblichen Schmerz über den Verlust des geliebten Sohnes, Freundes und Kameraden fertig zu werden.

Wenn ich bei meinen unangemeldeten Truppenbesuchen mit Soldatinnen und Soldaten zusammentreffe, wird das Thema „Akzeptanz der Bundeswehr in unserer Gesellschaft“ regelmäßig angesprochen. Auch wenn die Soldaten heute – ebenso wie Polizisten und Feuerwehrleute – durchaus anerkannt sind, tun sich unsere Mitbürger doch offensichtlich sehr schwer damit, den gefährlichen und schwierigen Dienst im Einsatz richtig zu würdigen und sich damit zu identifizieren. Das von unserem Bundespräsidenten geprägte Wort vom „freundlichen Desinteresse“ trifft leider nach wie vor zu. Das spüren die Soldaten. Sie vermissen die „moralische Unterstützung“ der Gesellschaft, wie sie mir immer wieder sagen.

Wenn ich derartige Äußerungen aus der Truppe höre, muss ich unwillkürlich an bestimmte Beobachtungen in den USA denken. Auch wenn die USA nicht unbedingt mit uns in jeder Hinsicht vergleichbar sind, so habe ich großen Respekt vor der Art und Weise, wie Soldaten dort von ihren Mitbürgern behandelt werden. Ein Beispiel für diese besondere Verbundenheit durfte ich im Urlaub erfahren. In einer kleinen Gaststätte auf dem Lande an der Westküste waren mehrere Wände mit Abbildungen von Soldatenstiefeln („Boots“) beklebt. Beim näheren Betrachten fiel mir auf, dass Freunde und Verwandte, aber auch vollkommen Unbeteiligte einen kurzen Gruß auf diese „Boots“ geschrieben hatten – als Zeichen der persönlichen Verbundenheit.

„Gott schütze dich!“, war da zu lesen oder „Komm gesund zurück“ oder auch „Ich denke an dich.“ Verbunden war dieses „Boots“-Projekt mit einer Spendensammlung zugunsten von sozial schwachen Soldatenfamilien. Eine, wie ich finde, wunderbare Möglichkeit, seinen Respekt und sein Mitgefühl gegenüber den Soldaten auszudrücken.