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Auch nach 18 Jahren Armee der Einheit müssen wir in der Gegenwart aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

Werner E. Ablaß, Staatssekretär a. D., Beauftragter für Sonderaufgaben im Bereich der Bundeswehr in den Neuen Ländern
Ab September 1989 arbeitete ich im Neuen Forum mit und war Ende November Mitbegründer der Partei des Demokratischen Aufbruchs in Mecklenburg. Die kommentierende Sicht auf die damaligen Ereignisse geschieht mithin aus der mir zugewachsenen politischen Verantwortung.

Mit Blick zurück auf das, was am 9. November 1989 geschah, steht zweifelsfrei fest: es war das folgenreichste Ereignis, das aus dem gesamten Prozess der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht wegzudenken ist. Allerdings: Es gilt auch daran zu erinnern, dass zuvor bereits Friedensgebete in den Kirchen und Demonstrationen auf Straßen und Plätzen stattfanden. Am 9. Oktober 1989 waren es in Leipzig 70.000 Demonstranten, die auf Veränderungen in der DDR drängten.
Gerade in dieser Zeit vom 9. Oktober 1989 bis zum 2. Oktober 1990 waren es zwei Ereignisse, die das Leben grundlegend veränderten und auch Auswirkungen auf die Sicherheitspolitik der DDR und die Nationale Volksarmee (NVA) zeigten. Der Machtverlust der SED im Zuge der friedlichen Revolution im Herbst 1989 sowie die ersten freien und geheimen Wahlen in der DDR am 18. März 1990.

Verluste der Macht der SED und demokratische Wahlen waren die bedeutsamsten Voraussetzungen dafür, dass die NVA und ihre Führung die Übergabe der Amtsgeschäfte an den von Ministerpräsident Lothar de Maizière berufenen Minister für Abrüstung und Verteidigung, Rainer Eppelmann, am 18. April 1990 problemlos vollzog. Der Zeitpunkt des Beitritts der DDR stand im April 1990 noch nicht fest.
Aufgrund der gerade erst begonnenen 2 + 4-Verhandlungen und der relativ unsicheren Situation in der Sowjetunion haben wir zu dieser Zeit noch mit den Jahren 1993/94 gerechnet. Die DDR war noch fester Bestandteil des Warschauer Vertrages und voll in das System eingebunden.

Fall der Berliner Mauer, 10.11.1989
Vorrangig galt es, grundsätzliche sicherheitspolitische Fragen, wie eine veränderte Bündniszugehörigkeit, den späteren Austritt und den Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus der DDR zu lösen. Im Land standen noch rund 380.000 sowjetische Soldaten und ca. 200.000 zivile Mitarbeiter und Angehörige. Auf die Empfindlichkeiten dieser Gruppierung galt es auch Rücksicht zu nehmen. Dieses ist uns, so glaube ich, gelungen.

Wissend, dass die NVA in ihrer Gesamtheit nicht in die Bundeswehr überführt werden kann, bemühten wir uns, denjenigen, die keine Chance hatten, die soziale Absicherung zu ermöglichen. Das wurde durch die katastrophale Haushaltslage erschwert, erst mit der Einführung der D-Mark 1990 waren andere Voraussetzungen gegeben.

Der Einigungsvertrag, der mit allen Anlagen rund 1.300 Seiten umfasste, entstand in der kurzen Zeit von etwa 6 Wochen und konnte nicht alle Probleme der Angehörigen der NVA lösen. Ein eigenes Kapitel Sicherheitspolitik und NVA in den Vertrag einzubringen, war uns nicht möglich, wir mussten zu Hilfskonstruktionen greifen.

Trotz dieser Schwierigkeiten trat die DDR am 24. September 1990 einvernehmlich aus dem Warschauer Vertrag aus. In den letzten Wochen der DDR bemühten sich die Führung und die Soldaten einschließlich der Zivilbeschäftigten intensiv, die Sicherheit von Waffen und Munition zu gewährleisten und eine geeignete Übergabe vorzubereiten.

Zweifelsohne war die NVA bis zum Herbst 1989 eine Parteiarmee. Sie hat aber einen schmerzhaften Wandlungsprozess durchlaufen und selbst versucht, im Zuge einer Militärreform einen Wandel herbeizuführen. Die Soldaten und zivilen Mitarbeiter sind durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen, aber 16 Millionen andere DDR-Bürger auch. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass die Soldaten der dann ehemaligen NVA und die Soldaten der Bundeswehr ab dem 3. Oktober 1990 ihr Bestes gegeben haben und weiter sind als andere Bereiche.

Aber auch nach 18 Jahren der Armee der Einheit müssen wir immer noch in der Gegenwart aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen.

Werner E. Ablaß,
Staatssekretär a. D.,
Beauftragter für Sonderaufgaben
im Bereich der Bundeswehr in den Neuen Ländern