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Kreuz und Krone

Die Geschichte des katholischen Militärseelsorge-Kreuzes

Auf der Titelseite der Zeitschrift des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr, Kompass. Soldat in Welt und Kirche, auf offiziellen Schreiben der Katholischen Militärseelsorge oder auf Fahnen ist es zu sehen, das Kreuz der Katholischen Militärseelsorge. Das aus vier Linien gebildete Kreuz, über dem die Krone steht, ist als das Signet der Katholischen Militärseelsorge bekannt. In einer immer differenzierter werdenden Welt scheinen solche klaren Erkennungszeichen als schnell zu erfassende und aussagekräftige Piktogramme immer wichtiger zu werden.

In der Entstehungszeit der Militärseelsorge vor über 50 Jahren war das offenbar noch nicht so. Der Briefkopf des Katholischen Militärbischofsamtes kam lange ohne ein "sprechendes" Zeichen aus. Auch die Katholischen Standortpfarrer gaben in den ersten Jahren der Militärseelsorge ihre Veranstaltungshinweise noch mit einem einfachen Kreuz auf den Ankündigungsplakaten bekannt.

Wie also kam es zur Gestaltung eines für die Katholische Militärseelsorge typischen und "sprechenden" Symbols?

Aus den im Archiv vorhandenen Unterlagen lässt sich nur teilweise die Genese rekonstruieren. Demzufolge stand am Anfang die Frage nach einer besonderen Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen der Militärgeistlichen. Im Frühjahr 1962 bat das im Bundesministerium für Verteidigung zuständige Referat Verwaltung und Recht die beiden Kirchenämter der Militärseelsorge um Stellungnahme, welches "taktische Zeichen" für die Militärseelsorge zur Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen der Militärgeistlichen geeignet sein könnte. Zunächst ging es nur um Vorrangzeichen bei Kraftfahrzeugen, bald aber prinzipiell um ein Erkennungszeichen der Militärseelsorge. Nach Auffassung des 1962 gerade neu ins Amt berufenen Militärgeneralvikars, Dr. Martin Gritz, sollte dieses "allgemein als Zeichen der katholischen Militärseelsorge gelten".

Auf die Anfrage des Verteidigungsministeriums hin wurde anscheinend noch im Frühjahr 1962 der Kölner Grafiker Jupp Palm gebeten, das Brustkreuz der Militärgeistlichen grafisch umzusetzen. Jupp Palm war dem Katholischen Militärbischofsamt seit Anfang an bekannt - vor allem aus der Zusammenarbeit bei der Herausgabe religiösen Schrifttums der Militärseelsorge mit dem Referatsleiter Seelsorge, Militärdekan Ludwig Steger. Als Vorlage diente Jupp Palm das 1960 vom Goldschmiedemeister Fritz Kuhne aus Gelsenkirchen-Buer entworfene Brustkreuz für die Militärgeistlichen, das zum Kernstück des 1962 entstandenen Pektorales für den Katholischen Militärbischof wurde.

Die Vorderseite des Brustkreuzes ist konkav modelliert. In der Entwurfskizze wird das durch eine zu den Rändern der Kreuzbalken hin dunkler werdende Schattierung sichtbar, während die Vertiefungen - vor allem im Zentrum des Kreuzes - in die das Licht fällt, heller bleiben. Setzt man diesen plastischen Realismus der Zeichnung um in eine grafische Vereinfachung, entstehen die Kreuzbalken aus je zwei breiteren dunklen Linien, die einen hellen Zwischenraum bilden. Da die Linien sich jedoch im Zentrum nicht kreuzen, scheint das Kreuz aus vier Linien zusammengesetzt zu sein, die auf ein gemeinsames Zentrum zu- und im rechten Winkel wieder fortstreben. Die an den abgerundeten Enden der Kreuzbalken beginnenden breiten Linien verjüngen sich zum Zentrum hin. Der vertikale Kreuzbalken schließt am oberen Ende mit einer dreizackigen Krone ab.

Die vorhandenen Unterlagen geben leider keine Auskunft, ob die Auftraggeber seinerzeit dem Goldschmied konkrete Vorgaben für die Gestaltung gemacht haben, die zugleich Aufschluss über die zugrundeliegende Idee dieses aussagekräftigen Symbols der Katholischen Militärseelsorge geben könnten. Die Bekrönung des Kreuzes jedenfalls ist auffällig. Und sie wird im Gegensatz zur heutigen Form noch durch eine leichte Verlängerung des vertikalen Kreuzbalkens betont. Ausgehend vom Mittelpunkt des Kreuzes ist der untere Kreuzbalken genau so lang wie der obere Kreuzbalken mitsamt der Krone.

Die Krone für sich allein ist Symbol für (v. a. weltliche) Herrschaft. In Verbindung mit dem Kreuz wird sie zum Siegeszeichen. In frühchristlichen Darstellungen findet sich deshalb an Stelle der Krone auch der (Lorbeer-/Sieges-) Kranz.

Das Kreuz mit der Krone ist Symbol für den Sieg, den Triumph Christi über den Tod durch seine Auferstehung. Die dadurch vollzogene Erlösung der Menschen begründet das eschatologische Königtum Christi (ikonographisch: Christus trägt als Richter des Weltgerichts eine Krone, Offb 14,14). Der Gedanke an die Christkönigsverehrung liegt beim Kreuz mit Krone nahe. Das Christkönigsfest wurde anlässlich des Heiligen Jahres 1925 eingesetzt. Im Spannungsfeld zwischen Frömmigkeit und Politik erlangte das Fest gerade in der nationalsozialistischen Zeit für die katholische Jugend in Deutschland eine besondere Bedeutung. Durch diese Erfahrungen in der katholischen Jugend und in der Wehrmachtseelsorge könnte das Kreuz mit der Krone als Zeichen für die Militär-Seelsorge inspiriert sein.

Die Betonung der Vertikalen, die schlanken Kreuzbalken und die Krone, deren Zacken nach oben zusammenzurücken scheinen, erzeugen bei dieser ersten Ausführung des Kreuzes einen feingliedrigen und eleganten Gesamteindruck.

Anfang 1965 bat Militärdekan Ludwig Steger den Grafiker Jupp Palm dem Amt nochmals "bei der Gestaltung des Zeichens für die katholische Militärseelsorge behilflich zu sein", denn "wir hätten das Ganze gern ein wenig wuchtiger." Der Grafiker erzielte diesen Wunsch der Veränderung durch die Verstärkung der schwarzen Linien zu Streifen und die Abwandlung der Krone, deren gefährlich spitze Zacken nun auseinandergerückt sind und eine Linie bilden mit den äußeren Konturen des oberen Kreuzbalkens. Noch mehr als bei der ersten Ausführung scheint die Vertikale betont zu sein.

In dieser seit 1965 gültigen Form kennzeichnete das Signet nicht nur als sogenannter Klemmboy die Dienstkraftzeuge der Katholischen Militärseelsorge, sondern ebenso ihre offiziellen Schreiben wie auch die von ihr herausgegebenen Publikationen. Die erste Publikation des Katholischen Militärbischofs, das Soldatengebetbuch, zierte auf dem Einband erst ab der 12. neubearbeiteten Auflage von 1970 das Kreuz der Katholischen Militärseelsorge. Es blieb darauf bis 1977 erhalten, obwohl man bei anderen Veröffentlichungen der Katholischen Militärseelsorge schon 1973 wieder zur ursprünglichen, feingliedrigen Form des Militärseelsorge-Kreuzes in leicht abgewandelter Formgebung zurückgekehrt war: Die Kreuzbalken werden nicht mehr zu ihren Enden hin breiter und vor allem die Krone wirkt wieder ein wenig kleiner und trägt nun stumpfe Zacken.

Mit zunehmender Technisierung auch in der grafischen Gestaltung wurde das künstlerisch gefertigte Zeichen Anfang der 1990er Jahre in eine vereinfachte Form überführt. Die Linien weisen nun an jeder Stelle die gleiche Breite auf und verringern damit den hellen Zwischenraum. Auf diese Weise werden die Kreuzbalken betont, die nun, denkt man das Kreuz ohne Krone, ein gleichschenkliges Kreuz bilden. Mit Krone entsteht nun im oberen Teil des Kreuzes ein Übergewicht. Zudem ist mit der vereinfachten Formgebung die Farbe Blau für das Kreuz eingeführt worden. Durch die für jedermann gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten der EDV-Technik hat das Kreuz seine einst festgelegte Form verloren und unterliegt insofern einer gewissen Beliebigkeit in der Formgebung wie in der Farbe, die sich inzwischen von dem einst künstlerischen Entwurf entfernt haben. Um dieser bis zur Verzerrung führenden Form- und Farbbeliebigkeit entgegen zu wirken, wurde im Jahre 2006 im Zuge einer Festschreibung der sogenannten "Corporate Identity" auch die Form und der Farbton des Signets festgelegt. Das nun in Form und Farbe definierte Kreuz findet sich nicht mehr nur auf offiziellen Schreiben und amtlichen Publikationen, sondern auf allen Produkten, die die Katholische Militärseelsorge in ihrer Verantwortung herausgibt.

Dr. Monica Sinderhauf