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Ostern - Hoffnung auf AuferweckungAuf den Himmel dürfen wir hoffen, weil einer ihn für uns aufgeschlossen hatvon Prof. em. Dr. Willibald Bösen | © KNA-Bild | Sein 23. Geburtstag war ein rundum schöner Tag gewesen. Es war ihm gelungen zu vergessen, dass er am nächsten Morgen in die Klinik musste. Dann war alles sehr schnell gegangen; die Ärzte hatten gedrängt, weil die Untersuchungen keinen Aufschub duldeten. Als er von der OP aufwachte, hatte man ihm das rechte Bein amputiert. Der Krebs, ein aggressiver Typ, hatte bereits gestreut; für große Pläne blieb ihm nicht mehr viel Zeit. Besonders in der Nacht, wenn er trotz starker Medikamente nicht schlafen konnte, quälten ihn die Fragen, an die er früher nur selten dachte: Was dann, wenn der Tod ihm den letzten Funken seines Lebens genommen haben würde? Gab es so etwas wie einen Himmel? Und wenn ja, wer hatte eine Chance, in ihn einzugehen? Was hatte es mit der Auferstehung auf sich, die im Christentum eine solch große Rolle spielt?
Historisch ist zu sichern, dass Jesus aller Wahrscheinlichkeit nach am Freitag, dem 7. April des Jahres 30 n. Chr., auf Golgota, einem totenkopfähnlichen Hügel im Nordwesten Jerusalems, stirbt. Zeugen seines Todes sind außer römischen Soldaten auch Freunde aus Jerusalem und mehrere Frauen, die ihm von Galiläa her gefolgt sind. Wegen des bevorstehenden Sabbats, der in diesem Jahr mit dem Paschafest zusammenfällt, muss die Beerdigung rasch erfolgen. Ein reicher Ratsherr mit Namen Josef stellt dem Toten, weil er ihn sehr schätzt, sein eigenes Grab in der Nähe des Hinrichtungsplatzes zur Verfügung. Er lässt das Grab mit einem schweren Rollstein verschließen, damit keine Grabräuber und auch keine streunenden Tiere eindringen können.
Nach drei Tagen, am jüdischen "Montag" (dem späteren christlichen Sonntag), besuchen als erste drei, vier Frauen das Grab, um ihrem verehrten Meister die letzte Ehre zu erweisen. Von Weitem schon erkennen sie, dass der Rollstein weggewälzt und das Grab offen ist. - Was ist hier geschehen? Angstvoll gehen sie ins Grab hinein und finden die Grabbank, auf der der Leichnam abgelegt war, leer. Ratlos gehen sie nach draußen ins Helle und sehen sich plötzlich einer Lichtgestalt gegenüber. Dass es Jesus ist, erkennen sie an den Wunden, die er an Händen und Füßen und an der Seite trägt. Ja, es ist der Meister, auch wenn er so anders aussieht! Der letzte Zweifel schwindet, als er mit ihnen spricht. Nun wissen sie: Jesus ist nicht im Tod geblieben, er lebt, doch offenbar ein anderes Leben als das ihrige; denn dieses gleißende, den Körper durchstrahlende Licht ist nicht von dieser Welt.
| © Willibald Bösen | Was die Frauen aus Galiläa an diesem Morgen erleben, das widerfährt wenige Tage später, aber selbst noch nach Wochen und Monaten den Aposteln und vielen anderen Jüngern nicht nur in Jerusalem, sondern auch in Galiläa, wo die meisten von ihnen zu Hause sind. Selbst Verwandte und Bekannte, die zu Jesus auf Distanz gegangen waren, erzählen von solch wunderbaren Erscheinungen. Die Zahl derer, denen sich der Auferstandene zeigt, ist groß. Zu ihnen gehören Frauen und Männer, einzelne und Gruppen, Freunde und Gegner. Das Zeugnis so vieler kann man nicht so leicht in Frage stellen. In einem stimmen alle, die ihm begegnet waren, überein: Jesus, der so elendig am Kreuz gestorben war, lebt.
Doch wie sollte man das deuten? Hilfe findet man in den Schriften des Alten Testamentes. Ist dort nicht von der Auferweckung der Toten am Ende der Zeit die Rede? Dann hat Gott an Jesus bereits getan, was er einst an jedem Menschen tun wird: Er hat ihn auferweckt!
"Auferweckt" ist ein schwieriges Wort. Was es beinhaltet, lässt sich am besten mit Hilfe des biblischen Weltbildes veranschaulichen. Dieses Weltbild zeigt zwei Kreise, einen größeren und - in ihn eingebettet - einen kleineren. Der größere stellt den grenzenlosen, von Gott durchwebten Kosmos dar; der kleinere - mit der auf Säulen aufruhenden Erdscheibe in der Mitte und der Unterwelt in der unteren Hälfte - die Welt des Menschen. Im Tod steigt Jesus wie alle Toten ins Totenreich hinab. Dort wäre er mit der unzählbaren Zahl der Toten geblieben, wenn Gott ihn nicht befreit und auferweckt, d. h. zu sich in seine Welt aufgenommen hätte.
Die Auferstehung Jesu ist ein Geheimnis. Wie jedes Geheimnis werden wir sie erst in der Ewigkeit durchschauen. Das heißt aber nicht, dass wir hier nicht bereits viele mit ihr zusammenhängende Fragen klären können.
Was ergibt sich für uns aus der Auferstehung Jesu? Es bedrängt uns alle, selbst junge Menschen, der Gedanke des Endes: Was wird sein? Wohin führt mein Weg nach dem Tod? Ins Nichts? Oder in eine dunkle, kalte Welt? Oder aber kehren wir vielleicht wieder zurück auf die Erde, wie es östliche Religionen behaupten? Gerade die "Wiedergeburt" ist für viele westliche Ohren zu einem Zauberwort geworden. In der Heimat des Buddhismus aber leidet man unter dem Gedanken der "Reinkarnation". Man fastet, man betet, man unternimmt strapaziöse und gefährliche Wallfahrten, um endlich ins Nirwana eingehen zu können.
Diese Not kennen Christen nicht. Für sie ist die Auferstehung Jesu ein helles Licht, in dem der Tod ein neues Gesicht gewinnt. Neu insofern, als er nicht mehr der unumschränkte Herrscher ist, sondern vielmehr zu einem Diener Gottes degradiert wird. Dadurch, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt, demonstriert er machtvoll, dass er stärker ist als der Tod. Wenn der Tod zu uns kommt, kommt er auf Anweisung Gottes, Gottes Hand weist ihm den Weg. Von Gottes Hand aber wissen wir, dass sie eine gütige Hand ist, die das Beste für uns will - auch wenn wir sie oft nicht verstehen. Michelangelo bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: "Wenn wir das Leben lieben, sollten wir den Tod nicht fürchten; denn er kommt aus derselben Hand."
| Ostersonntag 2007 in Prizren
© KMBA | Im Licht der Auferstehung Jesu wird der Tod zum Tor in die Welt Gottes. Einer von uns ist nicht im Tod geblieben, so dürfen auch wir hoffen. In seiner Auferstehung reißt Jesus als erster den "Vorhang" zu einer anderen Welt auf. Wie diese Welt aussieht, weiß niemand. Paulus bekennt ehrlich, dass "kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" (1 Kor 2,9). Es fehlen uns die Begriffe und die Vorstellungen, um jene Welt Gottes zu beschreiben, die nach dem Tod auf uns wartet.
Das aber dürfen wir mit Gewissheit sagen: Im Licht der Auferstehung wird der Tod zur Geburtsstunde eines "neuen" Lebens. Was neues Leben meint, ist wiederum nur im Bild zu umschreiben: Ein Fötus lebt ein sehr eingeschränktes Leben im Mutterleib: eingehüllt in der Enge der Fruchtblase, in Dunkelheit und Wasser, angebunden an die Nabelschnur, eingeengt in der Bewegung, eingeschränkt auch in der Wahrnehmung, aber er lebt. Doch welch anderes Leben nach der Geburt! Diese Freiheit, das Licht, die Weite! - So wird es auch uns nach dem Tod ergehen. Wie der Fötus nicht weiß, was ihn bei der Geburt erwartet, so wissen auch wir nicht, was nach dem Tod auf uns zukommt. Eines aber ist sicher: Mit dem, was uns erwartet, haben wir nie und nimmer gerechnet, im Tod werden wir in neue, unbekannte Dimensionen eintauchen. Wir dürfen gespannt sein!
Doch was ist mit Fegefeuer und Hölle, von denen in der Kirche so oft die Rede ist? Zum Thema "Hölle" dürfen wir festhalten, dass es sie theoretisch geben muss, wenn wir die uns von Gott geschenkte Freiheit ernst nehmen. Im gleichen Atemzug aber müssen wir hinzufügen, dass wir von niemandem, auch nicht von Hitler oder Stalin, wissen und sagen dürfen, er sei in der Hölle. Keiner weiß, was im Tode geschieht; keiner auch weiß, wie tief die Barmherzigkeit Gottes reicht. Alles aber spricht dafür, dass es am Ende unseres Lebens ein Gericht geben wird, in welcher Form auch immer - ob als persönliches Gericht oder als Weltgericht, ob in einem sekundenschnellen oder einem dramatisch langen Gerichtsprozess, ob als Selbst- oder als Fremdgericht. Wir dürfen aber gewiss sein, dass es ein wohlwollendes Gericht sein wird.
Am Ende angekommen, dürfen wir feststellen: In der Auferstehung Jesu ist dem Christentum ein Licht geschenkt, in dem der Tod viel von seinem Schrecken verliert. Chris-ten wissen im Glauben, dass er lediglich die Funktion eines Türöffners hat. Hinter der Tür, die er uns öffnet, wartet das Leben, das Leben in Fülle - ein Leben, das nicht mehr von der Sehnsucht nach Mehr bestimmt wird. Todesfurcht muss uns daher nicht mehr in ihren Würgegriff nehmen.
Prof. Dr. Willibald Bösen,
emeritierter Professor für katholische Theologie und ihre Didaktik
(Schwerpunkt: Biblische Theologie) an der Universität Bielefeld
Lesetipp:
Willibald Bösen,
Auferweckt gemäß der Schrift. Das biblische Fundament des Osterglaubens, Freiburg 2006
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