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Studientag zum Lebenskundlichen Unterricht

Militärbischöfe befassen sich mit Ethikausbildung in den Streitkräften

Oberstleutnant i. G. Dr. Baumann bei der Diskussion mit dem Studientagspodium und den Teilnehmern
Foto: © Kompass / König
Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, hat zu Beginn dieses Jahres den Lebenskundlichen Unterricht (LKU) für die Soldatinnen und Soldaten neu geregelt und in einer Zentralen Dienstvorschrift (ZDv 10/4) als verbindliche berufsethische Qualifizierungsmaßnahme erlassen. Für die Dauer von drei Jahren sollen nun, zunächst im Wege der Erprobung und unter dem Leitmotiv "Selbstverantwortlich leben - Verantwortung für andere übernehmen können", Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen als Lehrende den Lebenskundlichen Unterricht in seiner neuen Qualität erteilen.

Dies veranlasste die Militärbischöfe Dr. Walter Mixa und Dr. Martin Dutzmann, zu einem Studientag einzuladen, der im Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Berlin) eine erste Gelegenheit bot, zusammen mit Offizieren, Ethikern, Politikern, Militärgeistlichen und Gästen aus der Militärseelsorge der schweizerischen, österreichischen und niederländischen Streitkräfte den Neuansatz der Ethikausbildung auf den Prüfstand zu stellen.

Statements aus Kirche, Politik und Militär

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut konnte deshalb in seinem einleitenden Statement darauf hinweisen, dass die Militärseelsorge beider Konfessionen ihren Beitrag zur berufsethischen Bildung der Soldatinnen und Soldaten leisten wird. Gleichzeitig erinnerte er jedoch daran, dass dieses Ziel eine Querschnittsaufgabe der Inneren Führung sei. Prälat Wakenhut dabei wörtlich: "Die Militärseelsorge trägt nicht allein die Verantwortung für die ethische Bildung der Soldatinnen und Soldaten als Ganze."
Staatsminister a. D. Jochen Riebel, Mitglied des 12. Beirats Innere Führung beim Bundesministerium der Verteidigung und Oberst der Reserve, gab vorab einen Überblick über die geschichtlichen Stationen des griechisch-jüdisch-christlichen Wertefundaments der europäischen Gesellschaften. Er zeichnete dabei den Spannungsbogen von den antiken Zwölftafelgesetzen bis hin zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Von rechts nach links: Prälat Wakenhut bei seinem Statement, Brigadegeneral Munzlinger (BEA-GenInsp), Brigadegeneral Bach (Zentrum Innere Führung), Militärgeneraldekan Dr. Brandt
Foto: © Kompass / König
Brigadegeneral Alois Bach, Kommandeur Zentrum Innere Führung (Koblenz), formulierte im Anschluss daran aus der Perspektive der neuen Zentralen Dienstvorschrift einige Erwartungen an die ethische Bildung und hob dabei hervor, dass es auch unter den veränderten Rahmenbedingungen gelte, einsatzfähige und einsatzwillige Soldatinnen und Soldaten auszubilden. Seiner Auffassung nach sei es jedoch nicht ausreichend, Ordnungen zu erlassen und zu schulen. Wichtig bleibe das beispielhafte und vorbildliche Verhalten von Vorgesetzten, welches durch keine Vorschrift ersetzt werden könne.

Oberstleutnant i. G. Dr. Dieter Baumann, Theologe und Offizier der Schweizer Armee, referierte im Hauptvortrag des Studientages über die Konzeption einer integrativen Militärethik, die in allen Führungsentscheidungen und Ausbildungsabschnitten Eingang in eine moralische Urteilsbildung finden soll. Kernfragen für eine ethische Bildung in Streitkräften und deren Zielgebung könnten demnach lauten: "Was soll heute ein Soldat tun? Welche legitimen Gründe gibt es, die einen Menschen berechtigen, in seiner Funktion als Soldat militärisch organisierte Gewalt anzudrohen und anzuwenden sowie in letzter Konsequenz zu töten? Wie soll heute ein Soldat sein? Aus welcher Grundhaltung heraus soll ein Soldat handeln und sich verhalten?"
Mit Blick auf die Beantwortung dieser Kernfragen nannte der für die Ethikausbildung in der Schweizer Armee verantwortliche Generalstabsoffizier vier verschiedene Ebenen, die sich in der unterrichtlichen Ausbildungssituation wechselseitig bedingen. Dabei stehen das eigene Welt- und Menschenbild, die Ebene grundlegender moralischer Prinzipien, die Kenntnisse der allgemeinen Gesetze, der Regeln und Normen in Wechselwirkung zu einem singulären adäquaten, moralischen Urteil des handelnden Soldaten. Ziel aller Bemühungen in der ethischen Bildung mit Soldaten müsse dabei sein, die Sensibilisierung für ethische Fragen nicht an Dritte zu delegieren, sondern in der Sprache der Soldaten und im eigenen Verantwortungsbereich zu fördern.

Foto: © Kompass / König
International besetztes Podium

Die Erfahrungen anderer europäischer Streitkräfte mit berufsethischen Bildungskonzepten sowie methodische und didaktische Modelle brachten Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen aus den österreichischen und niederländischen Streitkräften ein. In einem Podiumsgespräch wurden dabei unterschiedliche konzeptionelle Ansätze vorgestellt. Trotz einzelner Unterschiede bestand ein hohes Maß an Übereinstimmung in der grundsätzlichen Notwendigkeit, ethische Bildung in allen Ausbildungsabschnitten zu integrieren.

Neuerscheinung

Im Anschluss an die Studientagung "Ethische Bildung in den Streitkräften. Konzepte - Inhalte - Methoden" wurde in Berlin durch Militärgeneraldekan Dr. Peter Brandt, Leiter des Evangelischen Kirchenamts für die Bundeswehr (EKA), das neue Handbuch der Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr vorgestellt. Das Handbuch "Friedensethik im Einsatz", das im Auftrag des Evangelischen Militärbischofs erarbeitet worden war, soll den Militärgeistlichen eine Hilfestellung zu den besonders kritischen Situationen des Soldatenberufes an die Hand geben. Hierbei gibt es nach Auskunft der Autoren keine schematischen Lösungsvorschläge für verschiedene Fragestellungen. Oberstleutnant Ulrich Kirsch, Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV), begrüßte bei der Buchpräsentation des Verlages die Herausgabe des Handbuches.

Josef König