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Jesuiten haben einen General - so wie bei der Bundeswehr?

Autorität - Befehl - Gehorsam in einem katholischen Orden

Der Gründer der „Gesellschaft Jesu“ (Societas Jesu, SJ), der heilige Ignatius von Loyola
von Prof. Dr. Peter Knauer SJ

Ignatius von Loyola (1491–1556) ist der Gründer des von ihm „Compañía de Jesús“ – „Gesellschaft Jesu“ genannten Ordens. Lange vor der Ordensgründung war Ignatius als Offizier bei der Verteidigung der Feste Pamplona gegen die Franzosen schwer verwundet worden. Weil Ignatius einmal Offizier war und durch das spanische Wort „compañía“ lassen sich viele zu der Auffassung verleiten, der von ihm gegründete Jesuiten-Orden müsse militärische Züge tragen, eine „Kampftruppe“ sein. Darin bestärkt werden sie noch dadurch, dass der Obere des gesamten Ordens „Pater General“ genannt wird.
In den Schriften von Ignatius bedeutet das Wort „compañía“ nur Wegbegleitung oder Gemeinschaft. Es hat nie irgendetwas mit einer militärischen Kompanie zu tun. Die Gesellschaft Jesu tritt dafür ein, dass alle Christen erfassen sollen, dass sie „zusammen mit Jesus“ vor Gott stehen (vgl. 1 Kor 1,9). Und der Generalobere ist nur der „allgemeine“ Obere im Unterschied zu den „partikulären“ Oberen, also den Gebiets- und Hausoberen. Es handelt sich nicht um einen militärischen Titel.

Es trifft jedoch zu, dass Ignatius größten Wert auf Gehorsam gelegt hat, um das Ziel des Ordens zu erreichen, gemeinsam für Glauben und Gerechtigkeit einzutreten. Er und die Mitbegründer des Ordens meinten, dass bei gemeinsamen Aufgaben immer jemand die „genaue Verantwortung“ tragen sollte; sie sollte nicht anonym sein, noch von einem auf den anderen abgeschoben werden können (Gründungstexte, 295).

Der Gehorsam bezieht sich natürlich nicht auf Beliebiges, sondern nur auf solche Dinge, die sich mit der Zielsetzung des Ordens begründen lassen. Gegenüber einem Unrechtsbefehl wäre jeder Gehorsam zu verweigern.

Ignatius war sehr daran gelegen, dass jedes Ordensmitglied ihm gegebene Aufträge richtig versteht. Er wollte, dass man dann den eigenen Verstand im Sinn des Oberen gebraucht. Ein Mitarbeiter berichtet: Wenn Ignatius jemanden etwa zu wichtigen Verhandlungen schickte, „rief er den Betreffenden: ‚Kommt her; ich will, dass ihr geht und diese Angelegenheit mit dem Kardinal Soundso verhandelt; und ich will euch sie erfassen lassen. Ich ziele dies und dies an, und dafür boten sich mir diese und diese Mittel an.’ Und nachdem er ihm die ganze notwendige Kenntnis und Unterweisung gegeben hatte, fügte er hinzu: ‚Aber ich will, dass ihr dort die Mittel anwendet, von denen der Herr euch lehrt, dass sie die angebrachtesten sind, und ich lasse euch in aller Freiheit, dass ihr tut, was euch am besten scheint.’ Zuweilen verhielt er sich mir gegenüber auf diese Weise; und wenn ich am Abend zurückkam, war die erste Sache, die er mich fragte: ‚Kommt ihr zufrieden mit euch?’ Er setzte voraus, dass ich die Sache mit Freiheit verhandelt hätte und dass alles, was ich getan hatte, von mir sei.“ (L. Gonçalves da Câmara, Memoriale, n. 269)

Soldat im Lager der Bundeswehr in Faizabad (Afghanistan)
Foto: © dpa
Ignatius hat gerne Gebrauchsanweisungen geschrieben. Eine trägt den Titel: „Weise, mit irgendeinem Oberen umzugehen oder zu verhandeln“ Man muss sie aufmerksam lesen:

1. Wer mit einem Oberen umgehen muss, bringe die Dinge, indem er sie selber bedacht und überlegt oder mit anderen besprochen hat, je nach der größeren oder geringeren Wichtigkeit. Gleichwohl wird es bei den ganz geringen oder sehr eiligen Dingen, wenn die Zeit zum Überlegen oder Besprechen fehlt, seiner guten Klugheit überlassen, ob er sie, ohne sie zu besprechen oder sehr zu überlegen, dem Oberen darstellen soll oder nicht.

2. Indem er sie so bedacht und überlegt hat, lege er sie vor, indem er sagt: ‚Diesen Punkt habe ich selbst’ oder ‚mit anderen’ – je nachdem – ‚überlegt. Und mir kommt ein,’ oder ‚wir haben überlegt, ob es nicht so oder so gut wäre.’ Und niemals soll er zum Oberen, wenn er mit ihm umgeht, sagen: ‚So ist dies oder jenes gut oder wird es sein’, sondern er soll bedingt sagen: ‚ob es nicht gut ist’, oder ‚ob es nicht gut sein wird’.

3. Nachdem die Dinge so vorgelegt sind, wird es Sache des Oberen sein, zu entscheiden oder Zeit abzuwarten, um sie zu überlegen, oder sie dem oder denen zu überlassen, die sie überlegt haben, oder andere zu benennen, die sie überlegen oder entscheiden, je nachdem die Sache mehr oder weniger wichtig oder schwierig ist.

4. Wenn er auf die Entscheidung des Oberen oder auf das, was er berührt, etwas antwortet, was ihm gut scheint, und der Obere erneut entscheidet, soll es für dann weder Antwort noch irgendwelche Gründe geben.

5. Wenn, nachdem der Obere sich so entschieden hat, derjenige, der mit ihm umgeht, verspürt, dass etwas anderes angebrachter wäre oder es sich ihm mit einigem Fundament so darstellt, obwohl er sein Meinen zurückstellt, kann er nach drei oder vier Stunden oder an einem anderen Tag dem Oberen darstellen, ob nicht dies oder jenes gut wäre. Dabei soll er immer eine solche Form zu reden oder eine solche Ausdrucksweise einhalten, dass keine Uneinigkeit oder Verärgerung besteht oder erscheint. Und auf das, was in jener Stunde entschieden wird, soll Schweigen folgen.

6. Obwohl die Sache ein- oder zweimal entschieden ist, kann er dennoch einen Monat oder längere Zeit später ebenfalls in der bereits genannten Ordnung darstellen, was er meint oder ihm einkommt. Denn die Erfahrung deckt mit der Zeit viele Dinge auf; und mit der Zeit verändern sie sich auch.

7. Ebenfalls: Derjenige, der mit einem Oberen umgeht, passe sich dessen Eigenart und natürlichen Fähigkeiten an; er spreche deutlich und mit verständlicher Stimme und, soweit es möglich ist, zu Zeiten, die ihm gelegen sind.“ (Briefe und Unterweisungen, 737f.)

Beim Feierlichen Gelöbnis vor dem Reichstagsgebäude in Berlin am 20. Juli 2008: Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung
Foto: © ullstein bild / Krohn
Der Gehorsam lebt vom Mitdenken und der Mitarbeit aller durch gute Vorschläge. Auch nach einer Entscheidung des Oberen kann man noch immer, und sogar mehrmals, um eine Nachbesserung bitten; nur soll dies in einer freundlichen und zivilisierten Weise geschehen. Auffallend ist in Nr. 3 dieser Unterweisung, wie erfinderisch Ignatius ist: Wie viele Möglichkeiten gibt es doch, wie der Obere andere in seine Entscheidungsfindung einbeziehen kann!

In den Satzungen des Ordens heißt es in n. 547, man solle „alle Kräfte darauf legen, dass der Gehorsam in Bezug auf die Ausführung, in Bezug auf den Willen und in Bezug auf den Verstand in allem vollkommen sei, indem wir mit großer Bereitschaft, geistlicher Freude und Ausdauer alles tun, was uns aufgetragen werden wird.“ Ein höchst lebendiger und aufmerksamer Gehorsam! Zugleich ist aber von „blindem“ Gehorsam die Rede; und jeder solle sich „von der göttlichen Vorsehung mittels des Oberen führen und leiten lassen, als sei er ein toter Körper, der sich wohin auch immer bringen und auf welche Weise auch immer behandeln lässt.“ „Blind“ soll der Gehorsam nur gegenüber Eigenwillen und Eigensucht sein. Und ein „toter Körper“ ist zum Beispiel ein Stab, auf den sich jemand beim Gehen stützt. Nichts mit „Kadavergehorsam“ – das war nur eine falsche Übersetzung!

Am vollkommensten ist der Gehorsam nach Ignatius, wenn es gar keiner besonderen Anordnung bedarf, sondern man von vornherein im Sinn des Oberen zu handeln sucht. Wichtig dafür ist: „Ich darf nicht darauf achten, ob mein Oberer der höchste oder der mittlere oder der niederste ist,
Lesetipp: Stefan Kiechle, Macht ausüben, Ignatianische Impulse, Echter Verlag
sondern darauf, all meine Andacht auf den Gehorsam zu richten, weil der Obere an Stelle Gottes unseres Herrn steht. Denn wenn man darin Unterschiede macht, geht die Kraft des Gehorsams verloren.“ (Memoriale, n. 116,5)

Peter Knauer SJ ist Mitarbeiter im Foyer Catholique Européen und im OCIPE (Office Catholique d'Information et d'Initiative pour l'Europe) in Brüssel


Lesetipp:

Ist Macht gut? Korrumpiert Macht? Was hat Macht mit gelebter Spiritualität zu tun?

Um diese und ähnliche Fragen geht es im Buch von Dr. Stefan Kiechle SJ (Lehrbeauftragter an der Hochschule für Philosophie, München). Es will allen, die aus christlicher Inspiration zu leben versuchen, helfen, ihre Macht besser wahrzunehmen, zu verstehen und auszuüben.