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Vorbild, Vertrauen, Verantwortung und die persönliche Kraft der Überzeugung | Brigadegeneral
Alois Bach,
Kommandeur des
Zentrums Innere
Führung, Koblenz
Foto: © ZInFü / Klevenow | Kompass: Zeitgemäße Führungsgrundsätze kennen das Prinzip der Beteiligung in Führungsprozessen und den dafür vorgesehenen Formen. Schließt der Grundsatz „Führen durch Befehle“ eine Beteiligung der Soldatinnen und Soldaten aus?
Brigadegeneral Bach: Nein! Ein wesentlicher Grundsatz der Inneren Führung ist die Anwendung des Prinzips „Führen mit Auftrag“, wobei grundsätzlich eigenverantwortlich zu gestaltende Handlungsspielräume gewährt werden. Dies erfordert in besonderer Weise eine Beteiligung der Soldatinnen und Soldaten und entspricht unserem soldatischen Selbstverständnis, auch im Einsatz. Durch die verantwortungsvolle Ausgestaltung der Vorgaben des Soldatenbeteiligungs- und des Personalvertretungsrechts wie auch des Gleichstellungsrechts im täglichen Dienst kann dem Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ in besonders wirksamer Weise Geltung verschafft werden. Die im vorgesehenen Rahmen zweckmäßig ausgestaltete Teilhabe von Untergebenen an Entscheidungsprozessen schränkt weder den Grundsatz der ungeteilten Führungsverantwortung noch die im Soldatengesetz ausgeführten Regeln für Befehl und Gehorsam ein. Dem wird in der Ausbildung, wie zum Beispiel in der Multiplikatorenausbildung im Bereich der Beteiligungsrechte am Zentrum Innere Führung, Rechnung getragen. „Führen mit Auftrag“ wird im Einsatz nur dann reibungslos funktionieren, wenn wir dies im Alltag zu Hause tagtäglich praktizieren. Hier sind Vorgesetzte und Geführte gleichermaßen gefordert – Delegation und Mitverantwortung sind gefragt.
| Demonstrationszug
gegen Wiederaufrüstung
und
Wehrdienst, München,
24.3.1956
Foto: © dpa – bildarchiv | Kompass: Dem soldatischen Gehorsam in deutschen Streitkräften sind Grenzen gesetzt, die eine Begründung u. a. in der Freiheit des Gewissens erfahren. Nun sind durchaus Situationen denkbar, in denen Soldatinnen und Soldaten sich im Gewissen berührt fühlen können und innerlich zweifeln, ob sie dem gegebenem Befehl mit dem Anspruch auf Gehorsam nachkommen müssen. Was wäre in diesem Kontext Ihr Rat?
Brigadegeneral Bach: Die gesetzliche Ausgestaltung der Gehorsamspflicht ist in der Tat sehr differenziert. Sie stellt für den Soldaten – mit Blick auf die schrecklichen Auswirkungen eines absoluten, unbedingten Gehorsams in früherer Zeit – in ausgewogener Weise einen Interessenausgleich für den Fall her, dass rechtswidrige Befehle erteilt werden. So müssen zum Beispiel Befehle, welche die Menschenwürde verletzen oder unzumutbar sind, nicht ausgeführt werden. Befehle, durch die Straftaten begangen würden, dürfen gar nicht erst befolgt werden. Auch der Fall der ernsten Gewissensnot findet angemessen Berücksichtigung, indem einem Soldaten in diesem Fall grundsätzlich eine gewissensschonende Handlungsalternative angeboten werden muss. Dies erfordert ein konstruktives Mit- und Zusammenwirken aller Beteiligten. Für den Untergebenen bedeutet dies – hier mein Rat – dass er seine Gewissensnöte seinen Vorgesetzten möglichst umgehend und nicht zur Unzeit darlegt, mit dem Ziele eine gemeinsame Lösung anzustreben.
| Bundeswehrsoldaten
der ISAFSchutztruppe
bei
einer Lagebesprechung
im Feldlager
Camp Marmal,
Afghanistan
Foto: © ullstein bild - CARO / Trappe | Kompass: Militärische Vorgesetzte, die mit dem Anspruch auf Gehorsam Befehle erteilen, sind dazu befugt, weil eine Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses ihnen dafür die Autorität verleiht. Reicht dieses zunächst formal rechtlich begründete Prinzip in modernen Streitkräften aus, um erfolgreich Soldatinnen und Soldaten führen, erziehen und ausbilden zu können?
Brigadegeneral Bach: Das Soldatengesetz beschreibt in Verbindung mit der Vorgesetztenverordnung, wer aufgrund seiner Dienststellung, seines Dienstgrades, besonderer Anordnung oder eigener Erklärung befugt ist, Befehle zu erteilen. Dieses System ist funktionell und hat sich seit über fünfzig Jahren in Ausbildung und Einsatz sehr gut bewährt. Aus meiner Sicht gibt es keinen Anlass, im Hinblick auf geänderte gesellschaftliche Veränderungen oder neue Einsatzszenarien der Bundeswehr in diesem Bereich Änderungen vorzunehmen. Es versteht sich von selbst, dass dieser rechtliche Rahmen natürlich durch eine an den Grundsätzen der Inneren Führung ausgerichteten Form der zeitgemäßen Menschenführung mit Leben erfüllt werden muss. Vorbild, Vertrauen, Verantwortung und die persönliche Kraft der Überzeugung sind hierfür die Schlüsselfaktoren.
Letztlich müssen die Geführten im Umgang mit ihrem militärischen Führer auch erleben, dass er sich mit „Verve und Hingabe“ um seine ihm anvertrauten Soldaten und Soldatinnen kümmert.
Das Interview führte Josef König.
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