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Morrissey: Years of refusal

Jawohl: so muss eine Rock-CD beginnen – von der Auffahrt direkt auf die Überholspur, Gaspedal fast durchgetreten! Steven Patrick Morrissey, der soeben seinen 50. Geburtstag feiern durfte, hat seine neunte Solo-CD vorgelegt. Wie bitte? Schon die neunte?

Eigentlich dürfte der ehemalige Frontmann der Smiths kein Unbekannter mehr sein. Aber wie kommt es dann zu einer sieben Jahre währenden Schaffenspause (1997 bis 2004)? Und warum ist er vielen nach wie vor unbekannt – oder aber hoch umstritten bis zum Boykott durch Musikmagazine?
Vielleicht ist es die schillernde Selbst-Inszenierung, zwischen klassischem Dandy (wie auf dem Cover seiner CD von 2004 „You are in the quarry“) und working-class-hero (siehe aktuelles Cover). Vielleicht sind es die bestenfalls durchschnittlichen Platten vor der erwähnten Pause Ende der 90er, die zum Teil zu Recht in Vergessenheit geraten sind.

Ganz sicher aber ist es seine kritische, bisweilen zynische Grundhaltung gegenüber der Welt und der Zeit, in der wir leben. Und die führt über die Jahre eher zur Verweigerung als zur Anpassung.
Wie immer bei Morrissey steckt die Falle im Detail: Der bisweilen zuckersüße Eindruck des Crooners täuscht, und die Ohrfeige sitzt umso kräftiger. In der allerersten Textzeile des Openers „Something is squeezing my scull“ heißt es noch „I’m doing very well“, aber im Laufe des Songs wird klar, dass es sich um die Worte eines an Tablettenabhängigkeit leidenden Menschen handelt, der frustriert feststellt „There is no love in modern life“. Und selbst in dem absoluten Pop-Smash-Hit „I’m throwing my arms around Paris“ ist es nüchterne Verzweiflung „in Abwesenheit deiner Liebe und menschlicher Zuwendung“, die ihn zu der Einsicht führt, dass nur „Stein und Stahl meine Liebe annehmen“ – weil niemand sonst seine Liebe will.

Und so geht das weiter, mit „All you need is me“ – der beste Song, den U2 nie geschrieben haben! – über das latin-beeinflusste „When I last spoke to Carol“ und das dramatische „It’s not your birthday anymore" – auch eine Form, sich der Ex zu erinnern ...

Seine Texte zeichnen das Bild einer völlig lieblosen Welt, nicht lebenswert und voller Bedrohungen („I’m okay by myself“), durchsetzt von „Schweinen in grauen Anzügen“, die den Tod anderer Menschen in Kauf nehmen (in „Mama lay softly on the riverbed“). Und das alles wird vorgetragen von der sanften, vollen Stimme dieses Ausnahmesängers.

Kein Wunder, dass Morrissey immer wieder umstritten ist – „durchschnittlich“ hört sich anders an!

Theresia Büsch