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Der Staatsbürger in Uniform ist auch Wähler!

Oberstleutnant i. G. Dr. Uwe Hartmann, derzeit: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages
Foto: privat
Zur Wahl gehen? Na klar! Das ist doch keine Frage! Schließlich bekennen wir uns alle zur Demokratie und sind stolz auf unser Grundgesetz, dessen 60. Geburtstag wir vor wenigen Wochen gefeiert haben. Ja, wir haben allen Grund für einen positiven Patriotismus. Nicht ganz in diese Entwicklung passt die nur gering ausgeprägte individuelle Bereitschaft, tatsächlich etwas für unser Land zu tun. Der Soziologe Eugen Buß spricht hier von einer "Caféhaus-Moral: Man will beides: Teilhabe am gemeinsamen Wir-Gefühl, aber auch die vermeintliche Freiheit der Nicht-Verantwortung".

Politikwissenschaftler und Wahlforscher weisen schon seit längerer Zeit darauf hin: Wählen gilt bei uns nicht mehr als "Bürgerpflicht". Wir sind nicht länger die "demokratischen Musterschüler" in Europa. Ein schlechtes Zeugnis haben wir uns selbst bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament am 7. Juni 2009 ausgestellt. Mit einer Wahlbeteiligung von 43,3 Prozent lag Deutschland nur im Mittelfeld unter allen EU-Mitgliedstaaten.

Selbst bei den Bundestagswahlen sinkt die Wahlbeteiligung. Dabei bleiben junge Menschen der Wahl häufiger fern als ältere, was angesichts des demographischen Wandels und der heraufziehenden "Diktatur der Alten" kaum nachvollziehbar ist. Alle sind sich einig: Diesen Trend der zunehmenden Wahlmüdigkeit müssen wir umkehren. Vor allem Erstwähler sollen mobilisiert werden.

Soldaten und Parlamente

In der Bundeswehr dienen viele junge Frauen und Männer, die sich wahrscheinlich wie ihre Altersgenossen fragen, warum sie zur Wahl gehen sollen. Es gehört zu den Errungenschaften für die Bundeswehr als Armee in der Demokratie, dass auch die Soldatinnen und Soldaten das Wahlrecht haben – das aktive, d. h. sie dürfen wählen, und auch das passive, d. h. sie dürfen gewählt werden, unabhängig davon, ob für den Bundestag in Berlin, für die Landtage in den Bundesländern oder für die Stadt- und Gemeinderäte.

Der Soldat hört nicht auf, Bürger zu sein, nur weil er eine Uniform trägt und ihm besondere Pflichten auferlegt sind. Dies ist eine der zentralen Botschaften der Inneren Führung, auf die wir als Angehörige der Bundeswehr besonders stolz sein können.

Politik bildet das Umfeld, in dem der Soldat seinen Dienst verrichtet. Bundesregierung und Parlament erteilen das Mandat für militärische Einsätze und bestimmen deren Zweck, Ziele und Dauer. Einsätze sind eine Fortsetzung der Politik und nicht deren Ersatz. Dementsprechend ist und bleibt die Politik verantwortlich. Nicht nur die Regierung, sondern auch der Bundestag, wie es in dem Begriff der "Parlamentsarmee" zum Ausdruck kommt. Und bisher ist es dem Bundestag gelungen, Einsatzmandate mit einer großen parlamentarischen Mehrheit zu beschließen bzw. zu verlängern – was ganz im Interesse der Soldaten liegt. Verantwortung trägt hierbei auch der Staatsbürger in Uniform: indem er bei der Wahl derjenigen Parteien und Personen mitwirkt, die künftige politische Herausforderungen meistern können.

Wahlen sind eine direkte Möglichkeit, auf die künftige politische Gestaltung unseres Landes Einfluss zu nehmen. Der Wähler wird seine Entscheidung am Gemeinwohl ausrichten, aber auch individuelle Interessen berücksichtigen. Dazu gehören seine wirtschaftliche und soziale Lage, Bildungschancen und kulturelle Bedürfnisse, aber natürlich auch Fragen der Sicherheit. Gerade für die Soldatinnen und Soldaten einer Armee im Einsatz kann dies zu einer vorrangigen Frage werden, die ihr Wahlverhalten beeinflusst. Sicherheitspolitische Positionen bis hin zum Engagement von Parteien und Politikern für die Soldaten und ihre Familien könnten dafür relevant sein.

Unser Leitbild vom "Staatsbürger in Uniform" verlangt aber, Wahlen nicht nur als Instrument zur Durchsetzung individueller Interessen zu verstehen. Es ist der ganze Staatsbürger, nicht nur in seiner Rolle als Soldat, der wählt. Daher wäre auch die Gründung einer "Soldatenpartei", die sich für soldatische Belange einsetzte, eine zwar mögliche, aber sicherlich abwegige Option. Denn wenn Politik nur von einem Thema – wie z. B. Sicherheit und Verteidigung – bestimmt würde, landeten wir letztendlich in einer totalitären Gesellschaft. Das kann kein Staatsbürger wollen, erst recht nicht der "Staatsbürger in Uniform".

Dr. Uwe Hartmann