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Weihnachtsgruß des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr Dr. Walter Mixa

Das Weihnachtsfest ist offensichtlich sehr anpassungsfähig. Mitunter seltsame Blüten treibend, findet es sich in allen Gesellschaften und Gesellschaftsschichten. Allerdings ergeben Umfragen, dass immer weniger Menschen die Bedeutung des Weihnachtsfestes kennen – nicht nur in den einstmals atheistischen kommunistischen Ländern.

In unserer sogenannten postsäkularen Gesellschaft, von der der Philosoph Jürgen Habermas spricht, treten die durch die Aufklärung vermeintlich erledigten religiösen Phänomene in den verschiedensten Gestalten verstärkt zutage. Für Habermas, der sich selbst als religiös unmusikalisch bezeichnet, bedeutet nun aber Religion, näherhin unser christlicher Glaube, nicht eine existentielle Verankerung in einer wesentlichen Beziehung zu Gott, der mein Leben prägt und trägt - und zu dem ich bete! Für Habermas ist Religion ein Korrektiv, das verhindern soll, dass unsere moderne Gesellschaft entgleist: Religion erfüllt einen politisch-gesellschaftlichen Zweck - nicht mehr.

Was für eine Bedeutung hat Weihnachten in unserer postsäkularisierten Gesellschaft? Die Krippe als Korrektiv für eine zu entgleisen drohende Moderne, die Krippe als Appell an unser „Bewusstsein für die weltweit verletzte Solidarität …“ (Habermas)?

Die säkularisierte, entgötterte Gesellschaft der Nachaufklärung, vor allem die gottlosen und unmenschlichen Gesellschaftsentwürfe der totalitären Diktaturen haben sich als zum Teil barbarische Utopien erwiesen. Diese Erkenntnis hat sich allmählich durchgesetzt – aber reicht es aus, alldem eine Krippe als Platzhalter für das „Bewusstsein von dem, was fehlt, von dem, was zum Himmel schreit …“ (Habermas) entgegenzusetzen? Reicht es aus, im Grunde doch nur so zu tun als ob es Gott gäbe? Gott als gesellschaftstherapeutische Fiktion?

Es ist schon mehr als nur ein starker Hinweis, dass offensichtlich das religiöse Sehnen des Menschen, ein ihm innerstes Wissen um einen absoluten göttlichen Grund, auf den er ausgerichtet ist, nicht ausgelöscht werden konnte und kann – „Der Mensch ist unheilbar religiös“, sagt Nikolai Berdjajew.
An Weihnachten nun feiern wir die nicht zu überbietende Erfüllung dieses menschlichen Sehnens. Gott ist eben nicht nur ein „religiöses“ Korrektiv mit dem Zweck, unsere Gesellschaft vor dem Absturz zu bewahren. Gott ist auch nicht der fern von uns wesende absolute, sich selbst genügende Urgrund ohne jede Beziehung zur Welt.

An Weihnachten feiern wir das Kommen Gottes im Fleisch. Der Allerhöchste wird zum Allerniedrigsten und Geringsten. Der, der alles geschaffen hat durch sein Wort, wird Mensch, geboren von der Jungfrau Maria und bleibt doch Gott von Gott. Dieser Mensch gewordene Gott hat alle Menschen, einen jeden von uns – dich und mich – an sich gezogen, hineingenommen in seine Göttlichkeit: Er ist Mensch geworden, um den Menschen zu vergöttlichen. Und dieser in Christus Mensch gewordene Gott hat sich für uns ans Kreuz schlagen lassen, ist für uns gestorben und auferstanden.

In Christus wollte Gott also nicht abgleitende gesellschaftliche Systeme vor dem Kollaps bewahren oder uns an unsere solidarischen Pflichten erinnern. Christus ist auch nicht nur eine von vielen möglichen Erscheinungsformen eines Göttlichen, wie eine heute in Mode gekommene Theorie suggeriert. Das alles kann unser tiefstes Sehnen nach Erlösung nicht stillen, ist keine Erfüllung unseres Sehnens nach Ewigkeit und Seligkeit.

In Christus ist alles aufgehoben, einbezogen und endgültig erfüllt. In seiner Menschwerdung, die wir an Weihnachten feiern, zeigt sich: Gottes unendliche Liebe neigt sich in unüberbietbarer Weise seiner Schöpfung zu und nimmt sich unserer Schwäche an. Er wird einer von uns – ausgenommen die Sünde, er trägt unsere Sünde ans Kreuz und uns durch den Tod in seine Auferstehung hinein: denn „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14)

Von Herzen wünsche ich Ihnen allen die Freude und den Trost des Mensch gewordenen Gottes, dem wir all unsere Schwäche, unsere Angst und Not in die Krippe legen dürfen!

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Dr. Walter Mixa
Katholischer Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr