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Trauerarbeit

von Reinhold Robbe

Bei der Kranzniederlegung am Ehrenmal der Bundeswehr auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Berlin. Von links: Der Repräsentant der ausländischen Militärattachés in Deutschland, Oberst i. G. Luszl Hajnik, Verteidigungsattaché der Republik Ungarn, Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg und der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan
Der Volkstrauertag ist für mich ein Gedenktag mit einer ganz besonderen Bedeutung. Einerseits wegen der verschiedenen zentralen offiziellen Gedenkfeiern in Berlin, an denen ich in meiner Funktion teilnehme. Zum andern verbinde ich mit diesem Trauertag ganz persönliche Empfindungen. Am Volkstrauertag gedenken wir landesweit der Millionen und Abermillionen von Opfern beider Weltkriege und der Nazi-Gewaltherrschaft. Anders als in anderen Staaten bekommt dieser Gedenktag in unserem Land aber auch dadurch eine besondere Bedeutung, weil wir in der Verantwortung für diese Kriege und die Hitler-Diktatur stehen. Nicht zuletzt deshalb verbinde ich persönlich mit dem Volkstrauertag seit meiner Kindheit sehr intensive, auch zwiespältige Gefühle.

Ich kann mich noch recht gut daran erinnern, wie ich bereits als Kind diesen Volkstrauertag erlebte. Es gehörte für mich nämlich zu einem festen Ritual, nach dem Gottesdienst an der Hand meines Vaters direkt zum „Kriegerdenkmal“ zu gehen. An diesem Denkmal waren die Tafeln mit den Namen der gefallenen Soldaten aus meiner kleinen Heimatgemeinde im ostfriesischen Bunde eingelassen. Ich stand dann ebenso neugierig wie beeindruckt in einer recht großen Schar von Einwohnern, um den Worten des Pastors zu lauschen, die ich jedoch mit meinen jungen Jahren noch nicht einzuordnen wusste. Ein Posaunenchor rundete die Feier am Denkmal damals ab.

Erst viele Jahre später habe ich dann richtig begreifen können, wie wichtig meinem Vater diese jährlich wiederkehrende Gedenkfeier war. Er wurde selber schwer verwundet im letzten Krieg und hatte bis zu seinem Tod vor einigen Jahren körperlich und seelisch unter den schrecklichen Erlebnissen dieses Krieges zu leiden. Heute nennen wir diese seelischen Verwundungen Posttraumatische Belastungsstörungen. Zudem hatte mein Vater zwei Brüder verloren, die in Rumänien und Holland fielen und dort vermisst sind. Deshalb waren der Volkstrauertag und das alljährlich wiederkehrende Ritual am Denkmal für meinen Vater ein Stück Trauerarbeit. Eine Trauerarbeit, die ohne Gräber und reales Abschiednehmen von den geliebten Angehörigen zu bewältigen war.

An dieses Kriegerdenkmal in meiner Heimatgemeinde fühlte ich mich erinnert, als ich am vergangenen Volkstrauertag am Ehrenmal für unsere Soldaten der Bundeswehr stand. Der neue Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg hielt die Gedenkrede. „Unsere Toten“, so der Minister, „sind nicht anonym. Sie sind Söhne, Töchter, Ehepartner, Lebensgefährten, Väter und Freunde. Hinter jedem Namen verbirgt sich ein persönliches Schicksal, ein Leben, eine Familie.“ Der Minister hätte auch meinem Vater aus dem Herzen gesprochen.