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Liebe | Klaus Ebeling,
Projektleiter Ethik
im Sozialwissenschaftlichen
Institut
der Bundeswehr Foto: privat
| Auch Sachen und Tätigkeiten werden „geliebt“, z. B. Eiscreme oder Autos, das Musizieren oder das Nichtstun. Doch nicht als allgemeiner Ausdruck intensiver Präferenzen soll „Liebe“ nun bedacht werden, sondern als die anspruchsvollste (und gerade deshalb auch äußerst fragile) Intention und Gestalt menschlicher Freiheit: im Verhältnis zu (einem) anderen Menschen, zu sich selbst – und im christlichen Verständnis auch zu dem sein geschöpfliches Ebenbild zuvorkommend liebenden Gott.
Erotische Liebe (Begehren, Sympathie)
Leidenschaftliches Begehren, die Sehnsucht nach beglückender Intimität mit einem besonderen Menschen (amor concupiscentiae und eros) kann der Anfang einer großen Liebe sein und, wenn alles gut geht, auch zentrales Element liebender Zuneigung bleiben. Ebenso vertraut sind allerdings gegenteilige Erfahrungen: Sichverlieben, Verliebtsein, Lieben – der Weg endet oft vor der entscheidenden Schwelle; weil täuschende Bilder zerbrechen, weil gesellschaftliche Schranken und Zwänge zu stark sind, darunter, durchaus nicht zuletzt, auch moralingetränkte Fesseln tradierter Normalität. Aber auch Freiheit, gewiss eine gute Schwester der Liebe, wird selbst zum Problem, wenn sie unablässig marktlogisch konditionierten Möglichkeitsdruck erzeugt: „Die Menschen, die nie lieben, sind Menschen, die tatsächlich immer lieben – in jeder Sekunde, mit jedem Blick einen Anderen.“ (S. Hillenkamp, Das Ende der Liebe, 2009: 11) Wo Menschen einander lediglich als austauschbare Platzhalter attraktiver Eigenschaften betrachten, kennzeichnet bestenfalls fairer Egoismus ihre Beziehung. Den Titel „Liebe“ verdient jedoch erst dessen Überwindung, zumindest der Versuch, füreinander mehr als bloß nützlich zu sein.
Fürsorgliche Liebe (Wohlwollen, Wohltun)
Die Sorge um das Wohl und Wehe anderer Menschen (amor benevolentiae) wird zu Recht moralisch ausgezeichnet. Man darf sie wohl gar als Inbegriff moralischer Gesinnung und moralischen Strebens bezeichnen, insofern sie im Respekt vor der gleichen Würde aller Menschen ihren Grund hat. Der Respekt und die Wertschätzung dezidiert liebender Sorge können nur auf diesem geschützten Boden gedeihen und stützen umgekehrt auch ihrerseits das Moralisch-sein-Wollen. In diesem wohlverstandenen Sinne gehören Moral und Liebe also durchaus zusammen – in einem gespannten Verhältnis. Wer sich dem Mitmenschen als besonderem, einzigartigem und zugleich so leicht verletzlichem Individuum „um seiner selbst willen“ liebend zuwendet und dabei sensibel auch das situativ Nötige aufspürt, was mit allgemeinen Regeln kaum oder gar nicht zu fassen ist, der realisiert eine Beziehungsart, die Moral durchaus nicht negiert, aber überbietet. Christlich gedacht: das auf prinzipielle Unparteilichkeit und allgemeine Rechte und Pflichten reflektierende moralische Anerkennungsverhältnis gewinnt erst im gelebten Kontext radikaler Nächstenliebe (agape) bis hin zur Feindesliebe eine unzweideutig menschenfreundliche und lebenssatte Qualität.
Liebende Gemeinschaft (Freundschaft, Partnerschaft)
Nicht nur ein Extremismus erotischer Glücksuche verfehlt in seiner egoistischen Befangenheit den Sinn der Liebe, sondern auch ein altruistischer Extremismus, der der vermeintlich wahren Liebe – in der Freundschaft (philia) oder in der sinnlich-seelischen Partnerschaft – durch Selbstverleugnung und Selbstaufgabe näher zu kommen sucht, sie stattdessen aber katastrophisch beendet.
Liebe wohnt bevorzugt im freien Miteinander vertrauensvoll geteilten Lebens, in einem relational vor- und nachsichtig flexiblen Wir mit sonach plastisch-stabiler Identität: das sich keiner gesetzlich fixierbaren Logik von Geben und Nehmen fügt und schon gar nicht der Logik von Überwältigung und Unterwerfung. Denn – „Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren“ (Th. W. Adorno, Minima Moralia, Kap. 122).
Klaus Ebeling,
Projektleiter Ethik im Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr
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