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Viele verdankten ihnen das ÜberlebenZum 100. Geburtstag von Ludwig Ebensberger | Kriegspfarrer Hubert L. Leuchter (1909–1990; Kriegspfarrer a. K. 1942–
1945) in der Lazarettseelsorge
© AKMB, Fotobestand Wehrmachtgeistliche AR 195 | Am 11. Januar 2010 wird der Bamberger Priester, Geistlicher Rat Ludwig Ebensberger, hundert Jahre alt. 1936 zum Priester geweiht, arbeitete Ebensberger seit seiner Ernennung zum Kriegspfarrer a. K. (auf Kriegsdauer) im Mai 1940 als Wehrmachtgeistlicher. Damit gehört er zu der kleinen Gruppe von vier Priestern, die noch heute von diesem pastoralen Einsatz unmittelbar Zeugnis geben können.
Die erhaltenen Tätigkeits- und Seelsorgeberichte der Wehrmachtgeistlichen im Archiv der Katholischen Militärseelsorge in Berlin geben nur einen ungefähren Eindruck von dem, was diese Priester geleistet haben. In den schweren Kriegsjahren von 1939 bis 1945 befanden sich rund 600 Wehrmacht- und Kriegspfarrer im unermüdlichen Einsatz für die Soldaten sowohl in der Heimat als auch im Felde, an vorderster Front, in Lazaretten, in Gefängnissen und in der Gefangenschaft.
Auch wenn der ein oder andere ehemalige Wehrmachtsoldat gerne mit dem Ausspruch zitiert wird, er habe im Krieg keinen Pfarrer gesehen, so liegen die Gründe dafür nach Kenntnis der Situation offen. Unter Millionen von Soldaten hatten die katholischen Kriegspfarrer keine Möglichkeit, ausnahmslos jeden Soldaten zu erreichen. Noch schwieriger wurde ihr Einsatz, als im Oktober 1942 gezielte Einschränkungen der Feldseelsorge in Kraft traten: Entlassung von Ordensleuten aus der Wehrmachtseelsorge, Einstellung der Kriegspfarrerlehrgänge, keine weitere Neubesetzung von frei werdenden Kriegspfarrerstellen, bei Umwandlung der Divisionen Streichung der Planstellen für Wehrmachtgeistliche. Wie wichtig aber der Dienst der Geistlichen für die Soldaten war, zeigen die erhaltenen Berichte von Zeitzeugen.
Auch Kriegspfarrer Ebensberger, in verschiedenen Kriegslazaretten eingesetzt, konnte im Juli 1943 in seinem Seelsorgebericht festhalten: Mehr als sonst habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kameraden ein starkes Bedürfnis zur Aussprache haben, vielerlei Nöte und Sorgen drängen sie dazu.
Und im Oktober 1944 berichtete er: Bei meinen Besuchen bei den Verwundeten und Kranken konnte ich immer wieder die Wahrnehmung machen, dass man als Pfarrer gerne gesehen wird, vor allem wenn man die Kameraden schon mehrmals besucht hat. Mehr als sonst äussern die Kameraden ihre Nöte und Sorgen. Der Ernst der militärischen Lage zeigt sich in der Stimmung der Kranken und Verwundeten. Viele, die aus dem Westen stammen, bedrückt die Sorge um die Angehörigen, umso mehr als so oft keine Post eintrifft. Die Frage nach einem gerechten Gott wurde öfters gestellt.
Aus den Briefen eines Soldaten wird ebenfalls immer wieder deutlich, wie sehr die Kriegspfarrer – durch ihre innere Haltung einer höheren Sache verpflichtet – als unparteiische, vertrauenswürdige und verschwiegene, aber vor allem auch mitfühlende und Trost spendende Gesprächspartner geschätzt wurden. Ein Soldat, im Zivilberuf evangelischer Pastor, nennt den katholischen Kriegspfarrer eine feine geistliche Persönlichkeit.
Noch gewichtiger erscheint der Dienst der Kriegspfarrer in der Schilderung eines französischen Zeitzeugen, der mitteilt: Wie kann ich all das aufzählen, was ich den deutschen Gefängnisgeistlichen verdanke, die die politischen Häftlinge von Fresnes besuchten und so dazu beitrugen, dass das Licht Christi, das in diesen Geistlichen aufstrahlte, in die Zellen der Gefangenen kam. Neben dem zivil gekleideten Standortpfarrer im Nebenamt, Abbé Franz Stock, wird auch der Würzburger Priester, Kriegspfarrer a. K. Paul Steinert (1909–1997), genannt, der im Dienst eine Wehrmachtuniform trug: Im Kontakt mit ihm bedurfte es nur weniger Augenblicke, um sich davon zu überzeugen, dass sein Verlangen einzig darin bestand, dem Priester Jesus Christus nachzufolgen … Jede Stunde seines Lebens galt der tätigen Nächstenliebe und jede Stunde drohte ihm große Gefahr … Wie häufig kam es vor, dass dieser Priester – sich bestens im Schattengeflecht der Gestapo auskennend – dem Exekutionskommando die Stirne bot, … Die Zahl der Franzosen, die ihm das nackte Überleben verdanken ist groß; noch größer ist die Zahl der Franzosen, die ihm das geistliche Überleben verdanken (Q.: Robert d’Harcourt, Qu’attendez-vous du prêtre?, in: Présences, 6, Paris 1949, S. 21f.; in der Übersetzung von P. Klaus Jochum SJ). Was hier für Frankreich geschildert wird, galt sicher auch überall sonst, wo katholische Militärgeistliche im Zweiten Weltkrieg ihren Dienst taten.
Der ehemalige Kriegspfarrer Ludwig Ebensberger schrieb 1990: In meiner fast zehnjährigen Tätigkeit im Krieg und Gefangenschaft hatte ich genug Gelegenheit, mit Kameraden beisammen zu sein, auch in der Frontstellung … Am 2.1.50 bin ich heimgekommen, Gefangenschaft südlich vom Kaukasus in der Nähe von Kutais, eine schwere Zeit, aber Gott sei Dank, es ist alles vorbei.
Dr. Monica Sinderhauf
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