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Militärseelsorge in der Großstadt Berlin

Unterwegs in den Hauptstadt-Standorten

Fotos (8) © Kompass / Volpers
Katholische Militärseelsorge für die Bundeswehr in Berlin – vor zwanzig Jahren noch kein Thema. Die geteilte Stadt war zwar alles andere als entmilitarisiert, aber die Bundeswehr hatte hier keinen Platz und die jungen (West-)Berliner waren bis Anfang der 90er Jahre nicht wehrpflichtig. Die unterschiedlichen Liegenschaften waren dominiert von den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs. So war zum Beispiel die heutige Julius-Leber-Kaserne, nahe des Flughafens Tegel, in der nun das Katholische Militärpfarramt Berlin I und das – etwas anders strukturierte – Evangelische Militärpfarramt Berlin ihren Sitz haben, viele Jahre französisch geprägt. Das erklärt, warum die große Garnisonskirche, direkt an der Kasernenmauer und dem viel befahrenen Kurt-Schumacher-Damm gelegen, den Namen „St. Louis“ trägt.

Anders verhält es sich beim Katholischen Militärpfarramt Berlin II, das neben dem Standort Strausberg noch das Zentrum für Nachwuchsgewinnung Ost, das Luftwaffen-Musikkorps IV und und vor allem das Bundeswehr-Krankenhaus umfasst. In diesem ehemaligen Volkspolizei-Krankenhaus, nicht weit vom Berliner Hauptbahnhof entfernt und ständiger Modernisierung unterworfen, haben als Militärseelsorger Pastoralreferent Bernhard Heimbach und als Pfarrhelfer Rainer Litschko ihren Sitz. „Berlin I“ ist unter anderem zuständig für den 2. Dienstsitz des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) und mehrere Standorte in Potsdam und im Land Brandenburg. Hier arbeiten Pfarrhelfer Thomas Elfen und seit 2008 Militärdekan Georg Pützer, der zugleich Dienststellenleiter beider Militärpfarrämter ist. Mit diesen verschiedenen Zuständigkeitsbereichen brauchen die vier Hauptamtlichen weder über Langeweile noch mangelnde Vielfalt zu klagen: Reicht das zu betreuende „Personal“ doch vom Generalinspekteur bis hin zu den Wehrdienstleistenden, die hauptsächlich dem Wachbataillon beim BMVg und dem Luftwaffen-Ausbildungsbataillon in Strausberg angehören.

Feierliches Gelöbnis in der Julius-Leber-Kaserne

Ersteres mit seinen sechs Ausbildungskompanien in Berlin hatte kürzlich wieder einmal ein Feierliches Gelöbnis, und zwar auf dem Hubschrauberlande- und Protokollplatz vor der St.-Louis-Kirche, in der am Morgen zuvor auch der Gottesdienst zu diesem Anlass stattgefunden hatte. Kein Wunder, dass es bei solch einem Eid und Gelöbnis trotz trüben Winterwetters noch etwas förmlicher und schneidiger zuging als an anderen Standorten: Die Rekruten selbst sind in der kurzen Zeit seit ihrem Dienstantritt schon besonders im Exerzieren geübt, und die Ehrenformation und der Musikzug werden von den Kameraden des Wachbataillons und des Stabsmusikkorps gestellt, die sonst bei Staatsempfängen in der Bundeshauptstadt Dienst tun und somit öffentliche Auftritte gewöhnt sind. Soldaten des Wachbataillons unterstützen außerdem regelmäßig die Arbeit der Militärseelsorge, wie z. B. als Ministranten bei Pontifikalämtern in Berlin.

Krankenbesuche mit Musikbegleitung

In kleinerer Besetzung als beim Gelöbnis tritt eine nur vier Mann starke Bläsergruppe dieses Stabsmusikkorps immer wieder kurz vor Weihnachten zur Freude der Patienten und der Pflegenden im Berliner Bundeswehr-Krankenhaus auf. Anders als auf dem Kasernenhof ist hier alles recht beengt und es sind eher die „leisen Töne“ gefragt. Weder die Büros der Krankenhaus-Seelsorger noch der „Raum der Stille“ bieten viel Platz, daher zieht das Quartett zusammen mit Pastoralreferent Heimbach und Pfarrhelfer Litschko mit ihren Klarinetten und Notenständern von Etage zu Etage. Während die professionellen Musiker auf den Fluren adventliche und weihnachtliche Weisen spielen, nutzen die beiden Vertreter der Katholischen Militärseelsorge die Gelegenheit, den Kranken – Bundeswehrangehörige wie auch Zivilisten – in den Zimmern, Genesungswünsche auszusprechen und sich für Gespräche anzubieten.

Unterschiedliche Gottesdienstformen

Wöchentliche Gottesdienste sind in diesem Umfeld kaum gefragt. Für den ganzen Berliner Bereich gibt es jedoch zumeist monatlich ein regelmäßiges Angebot: In der St.-Louis-Kirche am Mittwoch um 7:30 Uhr den Ökumenischen Standort-Gottesdienst mit anschließendem 2. Frühstück sowie am Sonntag um 11 Uhr die katholische Messfeier mit nachfolgender Einladung zum Kirchkaffee, die auch von den Soldatenfamilien gerne angenommen wird.

Noch recht neu ist die Möglichkeit, im Andachtsraum „St. Michael“ des Bundesministeriums der Verteidigung einmal im Monat freitags zu einem kurzen Gottesdienst zusammen zu kommen. Dieser schlichte Raum wurde vor gut zwei Jahren im Obergeschoss des Bendlerblocks eingerichtet, künstlerisch ausgestaltet und feierlich von den beiden Militärbischöfen seiner Bestimmung übergeben. Aus seinen Fenstern geht der Blick zur direkt angrenzenden „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ an der Stauffenbergstraße, wo im Ehrenhof der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 gedacht wird, sowie zum Reichstagsgebäude. Auf Wunsch der Soldaten im Bendlerblock und der Mitarbeiter im Ministerium wird in Zukunft auch in der Nähe des Andachtsraums eine Begegnungsmöglichkeit beim kurzen Kirchkaffee bestehen. In der bevorstehenden Fastenzeit wird es wöchentliche Morgenandachten geben.

Die Situation in der Bundeshauptstadt

Es bleibt die Spannung – anders als etwa am 1. BMVg-Dienstsitz im überwiegend katholischen Rheinland – zwischen interessanten Gegensätzen in der nordostdeutschen Diaspora von Berlin und Umgebung: Einerseits ist die Hauptstadt inzwischen Sitz von zwei katholischen Erzbischöfen (dem Berliner Kardinal und dem Apostolischen Nuntius für Deutschland) und beherbergt außerdem die Kirche des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr und seine Kurie mit dem Katholischen Militärbischofsamt; andererseits liegt der Anteil der noch konfessionell orientierten Soldaten hier sehr niedrig (evangelisch 10 %, katholisch noch darunter). Aber auch viele Ungetaufte zeigen sich offen und interessiert an der christlichen Botschaft und an kirchlichen Aktivitäten.
Außer der alltäglichen Gesprächsseelsorge bildet der Lebenskundliche Unterricht einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit der Militärseelsorge. Neben zahlreichen Lebenskundlichen Seminaren werden unter anderem Familienwochenenden und -werkwochen angeboten sowie Vater-Kind- und Mutter-Kind-Wochenenden und Motorrad-Soldatenwerkwochen.

Offensichtlich gelingt es den Militärseelsorgern, den Pfarrhelfern und auch den ehrenamtlichen Mitarbeitern im Pfarrgemeinderat, den richtigen Ton zu treffen, um jene Menschen anzusprechen und zu erreichen, die ein Grundinteresse ­am Christentum haben und seit knapp zwanzig Jahren die Bundeswehr in Berlin repräsentieren.

Jörg Volpers

Weitere Bilder
Ein Höhepunkt im Klinikalltag: Das Blasquartett des Stabsmusikkorps, Pfarrhelfer Litschko und Militärseelsorger Heimbach besuchen die Kranken auf den Stationen.
Im Altarraum von St. Louis: Militärdekan Pützer sowie die Pfarrhelfer Elfen und Litschko
Die St.-Louis- Kirche mit den markanten Kreuzwegstationen
Feierliches Gelöbnis vor der St.-Louis- Kirche mit ihrer großen Fensterfront und dem niedrigen Glockenturm
Pastoralreferent Bernhard Heimbach auf der Intensivpflegestation des Bundeswehr-Krankenhauses
Militärdekan Georg Pützer beim Morgengebet im Andachtsraum „St. Michael“